Montag, Juni 30, 2008

Motorcross - Eine Leidenschaft


Hillclimb 2008
Originally uploaded by Lii Raasuke
Esten fotografieren viel, seit einiger Zeit gibt es auch das estnische Gegenstück zu Flickr: nagi Lii Raasuke lädt dort die meisten Fotos hoch, bei Flickr stellt sie nur eine Auswahl vor, und sie gehört zu den Nachwuchsfotografen.
Hier mit einem Schappschuss aus Analema. Einer ziemlich kaputten Landschaft, aber hervorragend geeignet als Wettkampfstätte für die Motorsport begeisterten Esten.
Genaugenommen zeigt das Foto: Hillclimb.

Dienstag, Juni 24, 2008

Echte Namen

Auf der Fahrt von Rīga nach kommt man kurz vor Pärnu durch den Ort „Uulu“. Ausländer fühlen sich entweder an Finnland erinnert, was ja auch naheliegend ist, oder aber amüsieren sich über einen Ort mit vier Buchstaben, von denen drei ein U sind.

Aber an Leser, die des Estnischen nicht mächtig sind, ein paar weitere lustige Hinweise auf Ortsnamen, die nicht witzig sind wegen ihrer Buchstabenkombination, sondern wegen ihrer Bedeutung. In Deutschland gibt es unter „echtenamen“ eine Internetseite mit deutschen Beispielen, die weit über Essen, Siegen und Singen hinausgehen.

Unter den kleinen Orten, die in Estland am Straßenrand mit blauen Schildern gekennzeichnet sind, man muß also die Geschwindigkeit nicht auf 50km/h reduzieren, liegen an den Touristenstrecken noch zwei weitere, so „Naistevalla“ auf dem Weg nach Tallinn im Kreis Raplamaa, etwa auf der halben Strecke zwischen Pärnu und Tallinn. Der Name bedeutet soviel wie „Frauengemeinde“. Auf dem Weg von Tallinn nach Narva führt die Landstraße exakt bei einer noch zu erwähnenden Abzweigung durch das Örtchen „Loobu“, wo es auch ein gleichnamiges Rinnsal gibt. Dies ist die Befehlsform des Verbs „loobuma“, und das bedeutet „verzichten“ oder „aufgeben“.

An dieser Stelle geht es ab in eine größere Ortschaft mit einem Namen, der in ganz Estland bekannt ist, nämlich „Tapa“. Tapa wiederum ist die Befehlsform des Verbs „tapma“, und das heißt „töten“. Dazu gibt es in Estland eine Anekdote, die auf dem Umstand beruht, daß es vielerorts zu sowjetischen Zeiten Zeitungen gab, die im Titel den Namen der Gemeinde plus den Begriff Kommunist trugen, also habe es der Legende nach „Tapa Kommunist“ gegeben. Und hier kommt ein interessanter grammatikalischer Aspekt des Estnischen zum Tragen. Im Gegensatz zu anderen sprachen, wo auch in einem Befehls- oder Aufforderungssatz das Objekt im Akkusativ steht, also etwa „töte den Kommunisten“, verhält sich dies im Estnischen anders, hier muß es tatsächlich direkt übersetzt heißen: „töte der Kommunist“. Folglich bedeutete „Tapa Kommunist“ nichts anderes als dies.

Nun kolportiert dieses Gerücht weiter, eines Tages habe ein Este die Sowjets über diesen Umstand aufgeklärt, was auf wenig Freude gestoßen sei. Sofort habe man das Blatt umbenannt in „Tapa edasi“. „Edasi“ nunmehr bedeutet so viel wie „vorwärts“. Dieses Wort kennt man auch in Deutschland als Zeitungstitel. Doch im Estnischen bedeutet es eben auch „weiter“. Der Legende nach wurde folglich aus „töte den Kommunisten“ angeblich „töte weiter“.

Ich habe bisher den Wahrheitsgehalt dieses Geschichte nicht erkunden können. Sie wird jedoch eigentlich immer als Legende bezeichnet. Den Touristen erzähle ich das auf der Durchreise immer.

Montag, Juni 23, 2008

Tartus neue Skyline


Midtown Tartu
Originally uploaded by Kaltsi
Kaltsi hat diese Aufnahme im Frühjahr gemacht. Sie zeigt Tartus wachsende Skyline. Und sie ist umstritten. Flasher_t verteidigt den sogenannten weißen "Schlangenturm" links im Bild: In defense of the Snake Tower, während sich in diesem Post Gegner der neuen Architektur in Stellung begeben.
Eine der bisher aufälligsten Diskussionen in der Blogosphäre über neue Architektur in Estland.

Rückblick: Jaanipäev in Kihnu 2007


Jaanipäev at Kihnu
Originally uploaded by kalevkevad
Für alle, die den wichtigsten Feiertag im Sommer an den längsten Tagen des Jahres noch nicht kennen: Jaanipäev. Es muss draußen sein, ein Feuer geben (hier in einem Holzboot) und einige werden die regionalen Trachten anziehen. Es gibt noch unzählige Details mehr. Aber das ist ein Eindruck, festgehalten von kalevkevad.

Er war dafür auf der Insel Kihnu.

Montag, Juni 16, 2008

Auch Punker möchten singen


IMG_3044.jpg
Originally uploaded by triin
Jedenfalls in Estland. Sichtbar an der Farbwahl für die Haare. triin hat ein Foto-Set über das erste Punk-Sängerfest des Landes zusammengestellt. Auf das Bild klicken und man wird in die Punker-Szene samt ihrer Freunde weitergeleitet.

Das offizielle Plakat, Rakvere, 7. Juni 2008


Und ein etwas punkiges Video von Kedsu, sie ist 15, Titel Massikommunikatsioon - Punk laulupidu

Sonntag, Juni 08, 2008

Was bleibt?

Deutsche Namen, Spuren der deutsche Sprache in Estland. Vor dem 2. Weltkrieg gab es noch viele deutsche Institutionen, die ein Teil des Staates ausmachten,ein Teil, der nun nicht mehr existiert. Giustino fragt wiederholt nach den Hinterlassenschaften der Deutschbalten und: Erkennen junge Deutsche zu Besuch in Estland noch die alten Verbindungen?
Allerdings stellt sich für mich die Frage, inwieweit der deutsche Anteil wirklich vergleichbar mit dem "Mutterland" war. Nehmen wir diese Schülerin des Deutschen Privat-Mädchengymnasiums von Frl. Joh. Rahwing in "Reval" im Jahr 1920.
Eigentlich ist sie russische Muttersprachlerin, ihre Zensuren sind dort nicht so gut, etwa gleich mit Estnisch. Deutsch: befriedigend. Und sie ist "nicht musikalisch", damit fällt sie durch alle Reihen. Vielleicht hatte sie strenge Lehrer.

Allein die Ausbildung an einem "deutschen" Gymnasium in Estland damals zeigt schon Unterschiede zum Deutschen Reich, Weimarer Republik.

Update:
Ein Buch, dass ich selbst noch lesen möchte, hier eine deutschsprachige Rezension zu Spohr Readman, Kristina: Germany and the
Baltic Problem after the Cold War. The Development
of a New Ostpolitik, 1989-2000.

Auszug:
Das „baltische Problem“ war im
Rahmen der Ostpolitik der Bundesrepublik
Deutschland in den 1990er Jahren zweitran-
gig. Ihr ging es zunächst um die deutsche
Einheit, dann um den Abzug der Westgrup-
pe der Roten Armee sowie schließlich um
die Sicherung der eigenen Grenzen durch
die Aufnahme der unmittelbaren östlichen
Nachbarstaaten in die NATO. Da all diese
Fragen ohne Moskaus Einverständnis nicht
zu lösen waren, hat sich Helmut Kohl zeit
seiner Kanzlerschaft hauptsächlich um seine
„Männerfreundschaften“ im Kreml geküm-
mert und das Baltikum ignoriert. Es blieb vor
allem Außenminister Hans-Dietrich Genscher
überlassen, den „moralischen“ Part zu geben
und an die historischen Verpflichtungen
Deutschlands aufgrund des 23. August 1939
gerade im Baltikum zu erinnern. Sein Nach-
folger Klaus Kinkel wiederum war ein zu
schwaches Gegengewicht zum Kanzler, um
auf dem Gebiet der Ostpolitik eigene Akzente
zu setzen. Immerhin jedoch war es Kinkel,
der den Erweiterungsprozess der EU unter
Einschluss Estlands, Lettlands und Litauens
vorantrieb.


Nachtrag zu einem Kommentar. Hier ein Beispiel für die Übergänge zwischen Esten und Deutschen im 19. Jahrhundert.
Die Familie Poom lässt ihre Tochter konfirmieren. Sie suchen bewusst den Kontakt mit deutschen Kreisen, hier über die Kirche. Dadurch werden sie umbenannt zu Bohm.

Montag, Juni 02, 2008

Das Urteil - Der Film "Magnus"

Seit Oktober posten wir über den Film "Magnus", der seit 2007 auf den internationalen Festivals zu sehen ist. Einige Preise hat er schon erhalten, jetzt ist er von einem estnischen Gericht für sieben Jahre auf den Index gesetzt worden. Das Urteil fiel Mitte Mai. Elver, mit Kommentaren zur Filmproduktion, zeigt sich enttäuscht. Auch bemerkt er, dass auf einer bekannten Filmkritik-Webseite kaum ein Produzent bzw. Direktor so persönlich angegriffen wurde wie Kadri Kõusaar. Er hält das für einen "estnischen Nationalsport".

Apparently kicking people who are down is the Estonian national sport. In popularity this is followed closely by kicking people who are trying to get up.

The Estonian film Magnus by Kadri Kõusaar is the only film I’ve ever seen where half the IMDB reviews attack the writer/director directly instead of focusing on the film itself. And it’s not a bad film, really. As a prevention film it’s got the same basic structure as the much-celebrated Klass. Only Magnus is about suicide and Klass about school violence.

Oh and Magnus was banned in Estonia. Apparently the judge has some odd delusions, because the court’s decision is to ban the film not just in Estonia, but in the whole world [Europäische Union]. I had no idea its jurisdiction went so far. Or that judges can bluff like that.

The point of contention is that it’s based on a real life incident. With the actual real life Magnus’ father playing the father in the film. Trying to raise awareness of teenage suicide and maybe help prevent it in the future. Which is something you gotta give him credit for.


Marta Mustik, ein weiterer Blogger, über die verworrene Lage, inwieweit der Film in näherer Zukunft noch gezeigt werden darf.

eurotopics mit einer der wenigen deutschsprachigen Infos über das Urteil.

Heute und am Mittwoch läuft Magnus auf dem Internationalen Filmfestival in Seattle.

Kousaar, am Rande eines Festivals 2007