Bewaldete Nutzungsziele
Dem stehen zunächst einmal die aktuellen Werbeslogans der Tourismusindusstrie entgegen. Erst kürzlich wurde ein "Waldwanderweg" durch alle drei baltischen Staaten eröffnet. "Endlos scheinende Wälder laden zum Waldbaden und zur Sichtung von Bären, Elchen und Wölfen ein." (Visit Estonia) Endlos scheinend? Gezielt wird auch in deutschen Zeitungen für "Waldbaden in Estland" geworben (SZ). Und manche virtuelle Beeinflusser bewerben diese Wälder auch deshalb, weil sie vor allem gern günstige Preise und kostenlose Pressereisen in Anspruch nehmen (siehe "Landmeedchen")
Beim Wald zuschlagen
Aber auch für ganz andere Klientel werden "endlose Möglichkeiten" beworben, und damit ist gemeint: Geldverdienen mit Wald. Investieren, und immer dann Geld verdienen, wenn der Baum groß genug und der Holzpreis hoch ist - von Ökologie und dem Erhalt der Natur ist hier keine Rede, und der "Mythos des Waldes" kommt auf diese Weise ganz anders daher. Auf speziellen Webseiten wird um Investor/innen geworben, die "Geld in Wald" anlegen, um dann "Wald zu Geld" zu machen. Die entsprechenden Firmen geben offen zu, auch NATURA2000-Waldflächen mit Naturschutzeinschränkungen gezielt aufzukaufen.
Statistisch gesehen liegt der Anteil von Waldflächen immer noch bei über 50% der Landesfläche Estlands. Und was unternimmt Estland als Nächstes? Welche Interessen werden bevorzugt? Die einen weisen auf steigende Populationen von Wolf und Bär hin - die Freunde des bewaffneten Waldspaziergangs (Jäger/innen). Die andere - siehe oben - sehen vor allem zu viele Rodungen. Die estnische Regierung startet das Projekt "Digitale Wälder". Slogan: "Forstdaten nahe an die Echtzeit".
Von der Datenautobahn zum Datenwaldweg?
Da wäre zunächst mal zu klären: Forstdaten? Ja, es geht zunächst um "Qualität und Zugänglichkeit von Daten". Typisch Estland (E-stonia)? Man könnte sich ja auch andere Ziele setzen: ökologisch intakte Wälder, saubere Umwelt, Schutz gefährdeter Tier- und Pflanzenarten, nachhaltig lebensfähige, erhaltenswerte Natur. Reicht es da, vor allem erst einmal "gute Daten" haben zu wollen? Es klingt wie ein typisches Argument aus der Wissenschaft: wir wissen viel zu wenig (um handeln zu können?), also brauchen wir mehr Geld für die Forschung. "Wir möchten erreichen, dass jede/r in der Lage ist, den aktuellen Zustand unserer Wälder in Echtzeit anzusehen", meint Antti Tooming vom estnischen "Klimaministerium".
Also Daten zum Beispiel zu Baumhöhen, Holzvorräten und abgestorbenem Bestand – aus Satellitenaufnahmen, Laserscans und der Statistischen Waldinventur. Das Ministerium betont einerseits, der Anteil geschützer Waldflächen habe sich in den vergangenen Jahrzehnten erhöht. "Estland setzt verstärkt auf Cloud-Technologien und KI-gestützte Datenanalyse", notiert auch die "Wirtschafskammer Österreich" und lobt, wie sollte es anders sein, die "digitale Vorreiterrolle Estlands".
Alt muss weg?
Andererseits gibt es auch Aussagen wie diese: "Aufgrund des hohen Anteils älterer Wälder ist eine nachhaltige Bewirtschaftung erforderlich, um die Kapazität zur Kohlenstoffbindung zu erhöhen. Außerdem sind ältere Wälder anfälliger für Stürme, Krankheiten und Brände, und ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden, ist viel geringer als die von Wäldern in einem optimalen Wachstumsstadium." Da wird dann der Begriff "nachhaltig" zur Vokabel für "immer wieder Bäume rechtzeitig fällen, andauernd". (kliimaministeerium)
Ist Estland also ein Land der Natur? Was passiert in Zukunft mit den estnischen Wäldern? Wer einen Waldspaziergang machen möchte, und unklar ist, was er / sie da riecht, sieht und fühlt, kann dann vermutlich in Zukunft einfach den Laptop oder Tablet starten und .... sich an der Frische der Daten erfreuen.




