Dienstag, Juli 23, 2024

Nicht alles ist olympisch

25 Athleten und Athletinnen, dazu ein 49-köpfiges Betreuerteam, und auch ein Pferd werden Estland bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 vertreten (err). (zum Vergleich: Team Deutschland 427 Athletinnen und Athleten, dazu 44 als Ersatz, die genaue Zahl der Pferde ist mir nicht bekannt). 

Die Estin Kristin Tattar allerdings fährt einen Sieg nach dem anderen ein, 2022 wurde sie als erste Estin überhaupt in ihrer Sportart Weltmeisterin, 2023 wurde sie Europameisterin und verteidigte ihren Weltmeisterschaftstitel erfolgreich. Mit Olympia 2024 hat sie allerdings nichts zu tun - denn Disc Golf, ihre Sportart, ist nicht olympisch. 

Als Jugendliche hatte Tattar es zunächst mit Skilanglauf probiert - musste das aber wegen einiger gesundheitlicher Schwierigkeiten aufgeben und suchte dann nach neuen Wegen sich sportlich zu betätigen. 2023 gewann sie alle sogenannten "Disc Gold Grand Slam"-Turniere, und in diesem Jahr, als "Comeback" nach einer Verletzung, auch schon wieder ein Turnier in Finnland (ERR). 

Das Runde muss ins Kettige

Aber wahrscheinlich hat sich Kristin inzwischen daran gewöhnt, dass vieles, was ihre Sportart betrifft, im Detail noch verbessert werden kann. Oder dass sie es sogar selbst in die Hand nehmen muss. Zusammen mit schwedischen Partnern gründete sie "Latitude 64°", und wer sich hier das angebotene Sortiment anschaut wird vielleicht endgültig das Vorurteil los, die "Disc-Golfer" würden nur mit einfachen Frisbee-Scheiben herumspielen ("Frisbee" ist ein geschützer Markenname einer bestimmten Firma). 

"Disc Golf wird nach ähnlichen Regeln wie Golf gespielt", so viel können wir auch beim "Discgolf Deutscher Frisbee Verband" lernen. International gibt es die PDGA (Professional Disc Golf Association), die zum Beispiel Spielregeln festlegt und Zulassungen erteilt für jede einzelne Scheibe, die bei Turnieren eingesetzt werden darf. So wie auch beim neuesten Modell "Sinus" - 176 Gramm schwer, und 21,2 cm Durchmesser. Die PDGA-Statistik verrät uns außerdem, dass Kristin Tattar bei ihren bisherigen 96 Turniersiegen (Stand Juli 2024) insgesamt 306,567.40 Dollar an Preisgeld einstreichen konnte (die besten deutschen PDGA-Profis liegen da eher so bei 2.000 Dollar). 

Mehr Männer an der Scheibe


Die PDGA-Statistiken sagen auch, dass sehr viel mehr Männer professionell Disc-Golf spielen als Frauen (etwa 120.000 gegenüber 10.000). Und in Europa liegt Deutschland zwar bei den bei der PDGA angemeldeten Profis mit 819 auf Platz sechs - weit davor liegen aber Schweden, Finnland und Norwegen, auf Platz 4 dann Estland (1447 Profis), noch vor Dänemark.

Wer also einmal Disc-Golf-Scheiben oder -Ausrüstung mit einem KT sehen sollte - Kristin Tattar hinterlässt ihre Spuren. Neben KT-Wurfscheiben sind inzwischen auch T-Shirts, Schirme oder spezielle Rucksäcke mit dem Tattar-Signet erhältlich. 

Aber da Disc-Golf ja voraussichtlich auch in den nächsten Jahren kaum olympiareif werden wird, und häufig (wie in Deutschland) eher als Randsportart gilt, tut Kristi Tattar einiges, um ihre Sportart bekannter zu machen. Wenn möglich, auch in Form von kommerziell orientierten Interviews. Da bekennt sie zum Beispiel, ihr Vater, ein Bauunternehmer, habe mit ihr auf estnischen Waldwegen Autofahren geübt - als Symbol für die Freiheit, sich fortbewegen zu können (Porsche ist Geschäftspartner und Sponsor von Kristin). (porsche.ee)
Die Antwort darauf, wie sie Privatleben als Ehefrau und Mutter mit dem Sportlerinnenalltag vereinbaren kann, fällt der inzwischen 32-Jährigen leicht: "Mein Partner ist ebenfalls Disc-Golf-Spieler" (zuca-europe). 10 Jahre ist es jetzt hier, seitdem sie erstmals estnische Meisterin im Disc-Golf wurde. Eines lässt sich inzwischen sicher sagen: mag auch bei Olympia niemand diese Sportart so recht schätzen - in Europa ist Estland eine Disc-Golf-Hochburg!