Samstag, März 23, 2024

Bremsversuch

Wer mit dem Thema Digitalisierung beruflich zu tun hat, ist vielleicht schon einmal auf Dienstreise in Tallinn gewesen. Kostenfreies Wlan, Paketzustellung mit selbstfahrenden Fahrzeugen, selbstfahrende Busse, digitale Krankenakte, E-Residency und Wählen per E-Voting.  Es scheint in zwei Richtungen zu gehen: neben den digitalen Lösungen die (klimafreundlich) elektrischen. 

Scootermania

Stolz wird der "Äike T" als erster in Europa produzierter E-Scooter bezeichnet (rideaike). Auch "Volt" kommt aus Estland, weiterhin ist "Bolt" auch in Deutschland, in über 50 Städten von Augsburg bis Wolfsburg, mit E-Scooterverleih dick im Geschäft. Man könnte meinen, "E-Scooter" sei die Bezeichnung für "Estland-Fahrzeug". 

Geschwindigkeitsangaben
bei "ÄIKE"

Da wird es vielleicht verwundern, wenn gerade Tallinn die "Freiheiten" der E-Scooterfahrer einschränken möchte. "Maximal 20 km/h Geschwindigkeit ist absolut ausreichend", so wird Vladimir Svet, stellvertretender Bürgermeister der estnischen Hauptstadt, zitiert (err). "Wenn wir die Gefährdung von Fußgängern nicht ausschließen können, wird die Gesellschaft vielleicht ähnliche Lösungen wie in Paris einfordern, wo E-Scooter ganz verboten wurden." 

Zu schnell, zu viele

Es wird auch darauf hingewiesen, dass in der norwegischen Hauptstadt Oslo nur maximal 8 km/h erlaubt seien. Dort seien vielfach auch die Notaufnahmen der Krankenhäuser überfüllt gewesen, wegen vieler Unfälle gerade zur Nachtzeit. Konsequenz: in Oslo gilt jetzt auch ein Nachtfahrverbot zwischen 23 und fünf Uhr morgens (Tagesschau). 

Nun sind in der Innenstadt von Oslo auch nur noch insgesamt 8.000 E-Roller zugelassen, und die E-Scooter-Anbieter beklagten "ein Ende der Mikromobilität". In Tallinn dominieren vor allem "Bolt" und "Tuul" das Geschäft mit E-Scooterverleih. Wobei beide Firmen eigentlich darauf setzen, dass die Kundinnen und Kunden sich einfach die firmeneigene App herunterladen und dann dort einen Roller leihen, wo immer in Europa sie gerade sind. "Tuul" gehört zur "Kõu Mobility Group", wo auch die schon genannte "Äike" und auch der Fahrrad- und E-Bike-Hersteller "Ampler" zu finden sind. Hier wird "nachhaltige Mikromobilität" propagiert. 

In Tallinn soll es Uneinigkeit zwischen den E-Scooter-Anbietern gegeben haben. Demgegenüber sind sich aber die Stadtverwaltung und die Verkehrspolizei einig, nicht nur die zulässige Höchstgeschwindigkeit weiter abzusenken, sondern auch gesonderte Parkzonen für E-Scooter in der Innenstadt auszuweisen, die auch mit Ladestationen ausgerüstet sein sollen. Vizebürgermeister Vladimir Svet wünscht sich auch von der estnischen Regierung, dass Gesetzeslücken geschlossen werden. "In anderen Ländern, so wie auch bei unserem Nachbar Lettland, können die Städte und Gemeinden die Regeln für E-Scooter und Parken selbst festsetzen", meint er. Am liebsten würde man auf einzelnen Straßen 25 km/h erlauben, in der Nähe von Kindergärten oder Schulen aber nur 15 Km/h. (ERR)

Mittwoch, März 20, 2024

Ist Estland glücklich?

Wenn wir dieser Tage an Estland denken, und nicht sofort den "World Happiness Report" im Kopf haben, dann könnte wohl vor allem Regierungschefin Kaja Kallas sich glücklich fühlen, in Deutschland und auch internatonal so "herumgezeigt" zu werden. Da ist glücklich vergessen, ob nun ihr Mann in dubiose Russland-Geschäfte verwickelt war, dass Kallas auch mal gerne NATO-Generalsekretärin geworden wäre, oder welche Politik ihre Reformpartei eigentlich konkret in Estland betreibt. 

Beim Glücksindex indessen, mit den skandinavischen Nachbarn Finnland, Dänemark, Schweden und auch Island an der Spitze, folgt Estland erst auf Rang 34 ; Deutschland auf Rang 24, Litauen erstaunlicherweise schon auf Platz 19. Ok, Estland ist Nachbar von Finnland - aber in dieser Statistik scheinen die beiden nichts miteinander zu tun zu haben.

Noch erstaunlicher sieht es aus, wenn nur die jüngere Altersgruppe unter 30 Jahren in den Fokus genommen wird. Hier liegt Litauen vorn! Da funktioniert die Entschuldigung nicht mehr, Finnland habe nun mal schon seit dem 2.Weltkrieg das Land so entwickeln können, dass es den Menschen gut geht. Unter jungen Leuten sackt Estland ab auf Plaatz 44 (sogar Lettland ist hier als Nr.31 besser). Nun hätten wir ja gedacht, im Land der Start-ups, des überall verfügbaren Internet und der guten Aufstiegschancen für junge Leute wären die jungen Estinnen und Esten glücklicher.

Älteren Menschen geht es wiederum in Deutschland relativ gut - das zeigt auch diese Statistik, der zufolge die älteren Deutschen die glücklichste Altersgruppe sind (Platz 21). Estland auf Platz 35 liegt hier immerhin wieder besser als Litauen und auch Lettland. 

Estland also auf Platz 34 des Länderrankings. Immerhin verbessert von Platz 55 im Jahr 2019 und Platz 40 im Jahr 2021 - so trösteten sich Estinnen und Esten schon 2022, als es Rang 36 wurde (Estonianworld / Globalestonian). Oder liegt es vielleicht daran, dass es den Estinnen und Esten einfach sehr schwer anzusehen ist, wenn sie Glücksgefühle haben? Estland, nur insgeheim glücklich? Blöd nur, dass auch diese Überlegung genauso auf die Finninnen und Finnen zutreffen würde. 

"Wir ziehen einfach Erfolg zu haben dem Glück vor", hieß es mal in der Wirtschaftszeitung "Äripäev". Also: erfolgreich, aber nicht wirklich glücklich?  Eigene Untersuchungen estnischer Regierungsstellen betonen: die Estinnen und Esten sind ganz überwiegend .... zufrieden. (minuomavalitsus) Vor allem mit ihrem regionalen Umfeld, in dem sie leben, heißt es. 

Und dann gibt es noch die Stellungnahme von Epp Remmelg, leitender Analyst bei "Statistics Estonia". Er hat sich speziell um die estnischen Männer gekümmert und stellt fest: 5 - 6,5% aller estnischen Männer bezeichnen sich selbst als "glücklich". Na immerhin. (ERR)