Samstag, Oktober 31, 2015

Der schönste Mann

Bei den Estinnen und Esten sind eher Präsdent Ilves und Ex-Regierungschef Andrus Ansip beliebt, bei Russen in Estland eher Edgar Savisaar oder Vladimir Putin - soweit, so wenig überraschend. Wer aber ist Märt Avandi? Das estnische Umfrageinstitut EMOR TS fragte nach dem idealen Mann - und dieser war der meist genannte. Außerhalb Estlands vielleicht noch nicht so bekannt, aber das kann sich vielleicht bald ändern.

Freund der Kinder, starker Partner für die Frauen - aktuell
beeindruckend auch für die Estinnen (Abb.: Zorro-Film)
Märt Avandi - der estnische Til Schweiger? In der Pressemeldung zur Umfrage (ERR) ist davon die Rede, die "durchschnittliche estnische Frau" bevorzuge intelligente, gutherzige Männer. Avandi - der Name klingt für Unwissende ein wenig nach Autovermietung oder Italo-Restaurant - könnte aber zumindest auch deutschen Filmfans bald ein Begriff werden. Avandi ist aktuell der Hauptdarsteller in der finnisch-estnischen Koproduktion "Miekkailija" ("Vehkleja"), der bereits im Juni auf dem Filmfest München zu sehen war und im Dezember unter dem Titel "Die Kinder des Fechters" auch in die deutschen Kinos kommt (siehe Trailer).In Deutschland sind der Bayrische Rundfunk und ARTE Partner, also in diesen Programmen wird der Film wohl auch Platz finden. Für Regisseur Klaus Härö ist dieser Film bereits die vierte Nominierung (Vorschlag) Finnlands für den besten ausländischen Film bei den US-Acedemy Awards (Oscars). Auf diese Weise - denn es ist ja der Vorschlag Finnlands - gibt es jetzt zwei estnische Kandidaten: der estnische Vorschlag ist "1944" (siehe Blog).

Märt Avandi spielte bereits auf den Bühnen der Theater in Rakvere, Pärnu und Tallinn, trat auch als Sänger, Moderator und Comedian auf.2009 bekam er am estnischen Schauspielhaus den "Großen Ants" ("Suur Ants") verliehen, ein Preis für die Rolle des Asaf in dem Stück „Because ehk mängud tagahoovis“ ("Because", oder "Spiele im Hinterhof"). 2013 bekam er den Oskar Luts Preis für Humor. Auch Gastgeber der TV-Show "Estland sucht den Superstar" war Avandi schon. Ein viel beschäftigter Schauspieler ist Avandi sowieso. Und glücklich verheiratet ist er auch - mit Ehefrau Liis-Katrin, Tochter des Musikers, Komponisten und Sängers Tõnis Mägi; zur Familie gehören noch Sohn Herman und Tochter Helmi.

Aber was kümmert das die Verehrerinnen, wenn er dennoch in Filmclips sich weiterhin so exklusiv präsentiert wie gegenwärtig als Werbefigur für das Kinderspektakel "Pardiralli" - in einer Badewanne, allein. Mit einem ernsten Hintergrund: Märt und Liis-Katrins erster Sohn Albert starb 2012 an Krebs - das Festival wird zugunsten der Krebsforschung und der Behandlung von Krebskranken veranstaltet. Die Avandis engagieren sich auch für die estnische Vereinigung der Eltern von Krebspatienten (Eesti Vähihaigete Laste Vanemate Liit). Da scheint die Vorbildfunktion doch vielfach verdient, sicher nicht nur in den Augen der estnischen Frauen.

Freitag, Oktober 09, 2015

Nordlichter

Foto: Kalmer Saar/Minupilt.err.ee
Auch Norddeutsche nennen sich ja manchmal selbstbewußt "Nordlichter" - aber was Estland am vergangenen Dienstag an wahren Nordlichtern bzw. Polarlichtern (estn. "Virmalised") aufzubieten hatte, das lohnt den häufigeren Blick zum Himmel.
Ein gewaltiger Sonnensturm habe verursacht, dass es in ganz Estland ähnliche Farbfantasien am Himmel gegeben habe (ERR).

Wer mag da noch behaupten, ein Besuch in Estland lohne sich nur im Sommer?

Die "Naturmaler" des "Looduskalender"
Einige der schönsten Schnappschüsse des Naturphänomens hat auch "Estonian World" zusammengestellt. Wer in Estland vielleicht auf die Idee kommt, die Abendstimmung mit einem kühlen Bierchen zu "veredlen", könnte sich sogar mit "Virmalised-Bier" versorgen.

Oder man macht es wir die Macher des "Looduskalender" (Naturkalender), die zusätzlich zu den Himmelslichtern auch noch mit langzeitbelichteten Fotos experimentieren. 

Freitag, Oktober 02, 2015

Was ist los mit Savisaar?

Nachdem seit Ende der 1980iger Jahre in Estland eigentlich jede und jeder glaubte, Edgar Savisaar, der kantige, stets präsente Mann, der aus der nordwest-estnischen Gegend von Harku stammt, sei für das politische Leben in der kleinen Republik ebenso unvermeidlich wie einst diejenigen von Ungern-Sternberg für das Dorfleben eben dieser Gemeinde. Nun, die Ungern-Sternbergs sind in Deutschland gerade eben in Person einer jungen Nachrichtensprecherin wieder aufgetaucht - während es um die Sympathisanten Saavisaar's fast so einsam wird als hätte sich dieser auf eine Insel (estn. = saar) zurückgezogen. Oder er sei - wie Zyniker es sehen - an den Ort seiner Geburt zurückgekehrt (= ins Gefängnis).

Ausschnitt aus einem Werbespot des "Keskerakond":
Savisaar aller Orten ...
Eigentlich hatten sich die meisten Menschen in Estland bereits damit abgefunden, dass der Ex-Historiker, Philosoph, sozialistischer Parteigenosse, Wirtschaftsminister, Ministerpräsident, Bürgermeister und dreifach getraute Gatte wohl auf absehbare Zeit aus dem die Szene bestimmenden Leben nicht wegzudenken wäre - Rücktritte, Entschuldigungen oder Rückzug ins Privatleben stand eigentlich nicht auf der Agenda von Estlands erstem Edgar.

Nun kommt es aber "knüppeldick", wie man gerne sagt. Einerseits erhebliche Gesundheitsprobleme, zuletzt eine Operation an den Herzkranzgefäßen, und vor einigen Wochen bereits eine schwere Infektion, die letztlich zur Amputation eines Teiles des rechten Beines führte. Savisaar war danach zwar als Stadtbürgermeister zurückgekehrt, aber am 22.September mit der Anklage durch den estnischen Generalstaatsanwalt (Prokuratuur) konfrontiert, der ihn nicht nur in mehreren Korruptionsfällen für ausreichend verdächtig hält, sondern auch seine Entfernung aus dem Bürgermeisteramt fordert. Es soll um Vorgänge aus den Jahren 2014 und 2015 gehen und um Gelder - Summen jenseits der 100.000 Euro - die illegal auf Savisaar's Konto landeten. Ebenso angeklagt sind Ex-Politiker Vello Reiljan sowie fünf weitere estnische Geschäftsleute. Die Vorgänge sind wohl so fundiert, dass einige Medienschlagzeilen bereits lauten: "Savisaar's letzte Schlacht" (bbn).

Parteivorsitzender, Parlamentarier, Bürgermeister: der 65-jährige Politiker, der bereits einige Skandale fast unbeschadet überlebte, galt als ebenso politikbesessen wie rastlos. Nun fürchten aber bereits Parteifreunde der von Savisaar geführten Zentrumspartei (Keskerakond) bereits eine Ausweitung der Anklage wegen Bestechlichkeit auch gegen die Partei selbst.
Allerdings noch wagt sich niemand aus der (parteipolitischen) Deckung: am 29.November steht der Parteikongress der "Zentrumspartei", aber auch von den bisher für wahrscheinlich gehaltenen Nachfolgern, Jüri Ratas oder Kadri Simson, hat niemand bisher eine Kandidatur bekannt gegeben: gegen Savisaar möchte niemand antreten. Und wer weiß: manche hoffen immer noch auf dieselbe Dynamik wie bisher immer: Savisaar kehrte immer zurück.

Auch das Wahlergebnis zum Stadtrat zeigte wie dominant Savisaar bisher war: von etwa 115.000 Wahlberechtigten, die beim vergangenen Mal Zentrumspartei wählten, offenbarten sich allein 40.000 als Savisaar-Unterstützer, 25.000 persönliche Stimmen vereinigte der Politiker auf sich. Edgar Savisaar weist bisher alle Anschuldigungen des Gerichts als völlig unbegründet zurück und erklärte seine Unschuld.