Sonntag, Dezember 27, 2009

aus der Rubrik: überflüssige Weihnachtsgeschenke

Die Klima-Konferenz in Kopenhagen ist gescheitert, da suchen die Staatschefs Europas angeblich nach neuen Lösungen um den CO2-Ausstoss zu begrenzen. Ist das tatsächlich so? 
Noch immer verzögert die Autoindustrie die Einführung tatsächlich wirksamer Maßnahmen - und nun preisen uns einige deutschsprachige Autozeitschriften ein Produkt an, dass für protektionsbewußte Oberklasse, verspielte Millionärssöhnchen wie auch paramilitärische Verbände geradezu geschaffen zu sein scheint - mit der Bezeichnung "Kombat T98" als "Produkt aus Estland". Die Typenbezeichnung weckt unmissverständlich Assoziationen: "combat" = engl. "Kampf / Gefecht".

"Ein Panzer für den Alltag" schwärmt treffend "Auto-Bild". Aber ist das Modell so wirklich neu? Oder werden mit solchen Artikeln nur Werbekunden umschwärmt, die gern Extremes und Verrücktes lesen? Laut "Auto-Bild" gibt es die Herstellerfirma "Combat armoring group" mit ihrem Hauptwerk auf einem Armeegelände in St.Petersburg und einem Zweigwerk in Tallinns Vorstädten schon seit 2005, aber der T98 wurde seitdem erst 40 mal verkauft. Wer braucht's? In den aus den Welt-Schlagzeilen bekannten Kriegsgebieten werden diese klobigen Kolosse mit ihren 5 Tonnen Leergewicht und 20 Litern Dieselverbrauch (auf 100 km/h) und einer CO2-Produktion von 530 g/km wohl kaum herumfahren. Der Hersteller preist es denn auch weniger als "Kriegsgerät" denn als "Luxus-Allradfahrzeug" an. Schon 2006 schrieb der SPIEGEL über den Einsatzzweck dieses Fahrzeugs: "Damit Manager, Minister und wohl auch Mafiosi heil durch Russland kommen".

Dem SPIEGEL-Beitrag war zu entnehmen, dass diese besonderen Gefährte aus "deutschem Spezialstahl und amerikanischen General-Motors-Komponenten" zusammengebaut würden. Das war wohl noch vor der Krise des US-amerikanischen Autobauers. Nun ja, ob dieses Produkt russischen Unternehmergeistes nun entweder demnächst auf den Strassen von Tallinn oder Narwa zu bestaunen sein wird, oder gar als Exportprodukt aus Estland Karriere macht - wahrscheinlich doch eher für die visuellen Männerträume in den einschlägigen Hochglanzmagazinen.

Dienstag, Dezember 22, 2009

Tallinn Rathausplatz


Tallinn, lumi, raekoja plats
Originally uploaded by Joel L
Vor etwa 20 Jahren stand hier erstmals wieder ein Weihnachtsbaum. Die Stimmung auf dem Markt war damals aber noch nicht so, dass man damit international Aufsehen erregen konnte. Jetzt hat die TIMES ausdrücklich diesen Weihnachtsmarkt in Europa empfohlen. Der jetzige Winter passt dazu. Er ist weiß.
Joel L mit einem aktuellen Foto aus Tallinn.

Das war 1991 im Dezember, eine Schlagzeile der Eesti Elu:

Keine "materiellen Freuden" 1991. Und wie sieht es 2009 aus? Ein anderes Jahr. Jeder entscheidet für sich.

Ich bin damals oft über den Markt gegangen, habe ein Foto gemacht. Aber das war alles. Hätte mich ein Este nicht darauf aufmerksam gemacht, ich hätte es ignoriert. "Normal".

Update: Leider noch keine Erwähnung der estnischen Tradition des Weihnachtsbaum in Tallinn bei Wikipedia. Aber der englischsprachige Artikel hat etwas:

According to the first documented uses of a Christmas tree in Estonia, in 1441, 1442, and 1514 the Blackheads erected a tree for the holidays in their brotherhood house in Tallinn. At the last night of the celebrations leading up to the holidays, the tree was taken to the Town Hall Square where the members of the brotherhood danced around it.[4] It remains unclear, however, whether an evergreen tree was used. In 1584, the Estonian chronicler Balthasar Russow wrote of an established tradition of setting up a decorated spruce at the market square where the young men “went with a flock of maidens and women, first sang and danced there and then set the tree aflame”.[5]

Montag, Dezember 14, 2009

Estnisches aus finnischer Sicht

Wer deutschsprachige Informationen zu Estland sucht, dem wird vielleicht in letzter Zeit auch der zunehmend aktiver werdende Dienst des Portals "finn-land.net" aufgefallen sein. Von Südfinnland aus privat betrieben, mit Firmenzentrale in Birmingham, kommen bei "Finn-land.net" zunehmend mehr Estland-Nachrichten rein. Vielleicht liegt es ja auch an der Mitarbeit von Berthold Forssman, der zumindest als Estnisch-Kundiger den Estland-Freund/innen kein Unbekannter sein dürfte.

Estnische Arbeitsmigranten in Finnland
Leben schon 35.000 Estinnen und Esten in Finnland? Das ist eines der Themen bei "Finn-Land.net", dessen Beiträge bisher kostenfrei im Netz zu lesen sind. Mit besonderer Sorge würden estnische Behörden die Abwanderungen von Fachleuten im Gesundheitswesen sehen. Dazu passt die bei AFP  schon vor Wochen verbreitete und zur Weihnachtszeit passenden Kurzmeldung über Zeitungsannouncen in Estland, mit denen Weihnachtsmänner in Finnland gesucht werden. In einem Bericht der FAZ zum Thema "Pflegehilfe in Finnland" stellt sich die Sitation allerdings schon ein wenig anders dar.  „Es lohnt sich nicht, in Nachbarländern wie Estland Arbeitskräfte zu rekrutieren. Diese Länder werden ähnliche Probleme haben wie wir“, sagt hier die Vertreterin einer Personalagentur, die hinzufügt, dass es bei älteren Menschen in Finnland auch wegen der Kriegserlebnisse schwerig sei, von Russen gepflegt zu werden. 

In Finnland werden Pflegekräfte aus den Philippinen angeworben: "Die Philippinen haben einen Überschuss an ausgebildeten Krankenschwestern, die offizielle Sprache ist Englisch, und sie können sehr gut mit älteren Menschen umgehen“, so heisst es hier. Aber die FAZ zitiert auch Aussagen wie diese: "„Hier ist es kalt, dunkel, es ist teuer, und die Sprache ist sehr schwer zu erlernen.“ Nicht ohne hinzuzufügen, dass den Phillipinos die Bedeutung einer Sauna immer noch ein Rätsel sei, und das finnische Essen auch etwas mehr Gewürze vertragen könne. 
Mal sehen, wie das weitergeht, die Wege aus der Wirtschaftskrise werden es sicher prägen.

 Kulturhauptstadt am Horizont
Gerade geht das Kulturhauptstadtjahr 2009 für Vilnius zu Ende, da steht Tallinn 2011 schon am Horizont bereit. Nun wird, wie wohl inzwischen überall üblich, der Kampf zwischen den realen Verhältnissen und der virtuell organisierten Eigenwerbung ausgetragen. Bei Vilnius 2009 hatte die Wirtschaftskrise voll zugeschlagen, und auch bei Tallinn 2011 ist inzwischen immer wieder von Kürzungen die Rede. Finn-land.net berichtet der Stadtrat Tallinn habe die Mittel für 2010 auf die Hälfte zusammengeschmolzen. Aber schon im März diesen Jahres hatte Mikko Fritze, Projektleiter bei "Tallinn 2011", Budgetschwierigkeiten vorausgesehen (Kleine Zeitung 4.3.09)

Ob wir davon auch bald auch auf Diskussionsseiten zur Kulturhauptstadt Tallinn lesen werden, oder ob mit den begrenzten Mitteln lediglich eine verlängerte Tourismuswerbung betrieben werden wird - mal sehen. Im Netz steht heute zu lesen: noch 382 Tage.

"Die Natur gewinnt"


Nature wins
Originally uploaded by Kari-S
Wer die graue Stimmung im Herbst und Winter mag, ist gut bei den Aufnahmen von Kari-S aufgehoben. Hier ein Eindruck aus dem Nordosten in Narva-Jõesuu.
Auf ihrer Photoseite sind noch mehr aus der Region um Narva.

Montag, Dezember 07, 2009

Die Nato-Osterweiterung

Häufig ist von gebrochenen Versprechen der Sowjetunion gegenüber zu hören, nach der deutschen Wiedervereinigung. Angeblich sollte es keine Natoerweiterung in Osteuropa geben.
MARY ELISE SAROTTE hat kürzlich in der New York Times zu den Verwirrungen über vermeindliche Versprechen Stellung bezogen:
"Enlarging NATO, Expanding Confusion"
In essentially settling for a gentleman’s agreement, Mr. Gorbachev missed some important pitfalls and then failed to do anything about them. First, Mr. Kohl spoke for West Germany, not for the United States or for NATO as a whole. Second, the Soviet leader got nothing about the trans-Atlantic alliance in writing. Third, Mr. Gorbachev did not criticize Mr. Kohl publicly when he and Mr. Bush later agreed to offer only a special military status to the former East Germany instead of a pledge that NATO wouldn’t expand. Finally, he did not catch subtle signals that, by early 1990, speculative discussion in the West about NATO’s future involved the inclusion of Eastern Europe as well. Mr. Gorbachev later complained to Mr. Kohl that he felt he had fallen into a trap.

Did the United States betray Russia at the dawn of the post-cold war era? The short answer is no. Nothing legally binding emerged from the negotiations over German unification. In fact, in September 1990, an embattled Mr. Gorbachev signed the accords that allowed NATO to extend itself over the former East Germany in exchange for financial assistance from Bonn to Moscow. A longer answer, however, shows that there were mixed messages and diplomatic ambiguities.

By acknowledging that there might be some substance to Russian grievances, the Obama administration would strengthen our relations with Moscow.


Kurzgefasst, diplomatisch gab es nichts schriftlich Bindendes. Abgesehen davon, dass Dr. Helmut Kohl nur für Deutschland sprechen konnte. Und in diesem Zusammenhang Geld floss und in Moskau angenommen wurde. Besser im Kontext der gesamte Beitrag.

Dienstag, Dezember 01, 2009

Street art in Tallinn


Burn out the rich
Originally uploaded by kalevkevad
Unser Norweger kalevkevad ist wieder in Tallinn unterwegs. Auch er hat einen Blick für Street Art. Diesmal ein böses "Stencil" vor dem Hotel: "Burn out the rich". Großstadt Tallinn.
Wer den Begriff Stencil (Schablone) noch nicht gehört hat, hier ist die Erklärung bei Wikipedia:


"Das Stenciling als Kunstform entstand in den späten 1970er-Jahren in der Punkkultur u. a. in Amsterdam und hatte seine erste Blütezeit in den 1980er-Jahren in Paris. Der Künstler „Blek le Rat“ wird in diesem Zusammenhang oft als Gründer des Genres angeführt, obwohl wie gesagt Punks die Technik schon früher für ihre Graffiti verwendeten. Er selbst übernahm nach eigenen Angaben die Idee aus Italien, wo diese Art der Motivverbreitung zu politischen Propagandazwecken bereits länger genutzt wurde.

Im Gegensatz zum freihändigen Graffiti benötigt das Stencil einiges an Vorbereitung für die Anfertigung der Schablonen. Diese werden in der Regel aus Pappe, aber auch aus Kunststoff oder laminiertem Papier und – seltener – auch aus Metall gefertigt und eignen sich dann für eine häufige Wiederholung eines Motivs. Komplizierte und großflächige Artefakte werden auf dünnem Kleintierzaun montiert. "