Mittwoch, September 30, 2009

Internationales

Toomas Hendrik Ilves, Präsident der Republik Estland, hat eine Rede vor der UN-Versammlung gehalten. In kürzester Form hat er die Weltprobleme angesprochen. Estland kommt auch vor. Die militärische Beteiligung in Afghanistan zum Beispiel. Ansonsten hätten auch andere diese Rede halten können.
Es gab mal eine Idee der Repräsentation der kleinen Nationen. Und Estland als Antreiber. Das ist nun wohl dem diplomatischen Mainstream gewichen. Stattdessen bekommen Bücherwerfer aus der dritten Reihe die Aufmerksamkeit, siehe Libyen.

Este erregt Aufsehen

Ich weiß nicht, in wieweit in Estland bekannt ist, ob das Oktoberfest in München innerhalb Deutschlands irgendein kulturelles Ansehen genießt. Mir persönlich gegenüber haben sympathisch zurückhaltende Esten eher abwinkend reagiert, wenn sie darauf angesprochen werden. Vielleicht ist das vergleichbar mit Reaktionen zum Kölner oder Mainzer Karneval? Nicht jeder liebt es - manche die dort leben fahren absichtlich zu dieser Zeit in Urlaub - aber wer sich darauf einläßt, der weiß in der Regel was er tut. 

Nun machen zwei einzelne Esten in Deutschland Schlagzeilen. Warum? Bei "Deutschlands größtem Drogenfest" würde es keinen wundern, wenn sie nur besoffen in einer Ecke gelegen hätten. Aber nein! Esten sind ordentlich und zurückhaltend, wie gesagt. Aber in München gab es umfangreiche Personenkontrollen, wegen angeblicher Terrordrohungen. Da wurden so gut wie alle Oktoberfest-Besucher kontrolliert, und was fand man bei unseren braven Esten? Das Portal "Geld-kompakt.de" gibt es exakt wieder, inklusive Übermittlungsfehlern:

Zitat:
Die Polizei kontrollierte die beiden ausländischen Gäste im Alter von 41 und 44 Jahren am vergangenen Sonntag. Beim genauen Blick in einen Rucksack stellte sich heraus, dass sich darin insgesamt 128.500 Euro, 24.000 US Dollar, 116.200 Estnische Kronen, 100 Norwegische Kronen, 40 Schwedische Kronen und 63 Englische Kronen* befanden… (*laut Polizei: GELD kompakt vermutet aber 63 Englische Pfund)

Es ist nicht das erste Mal, dass ich von Esten höre, die ihre Geschäfts- oder Gesprächspartner in Deutschland mit größeren Summen Bargeld überraschen, die sie einfach aus der Tasche ziehen. Überraschend ist eher die Vielzahl der Währungen. In den Berichten der deutschen Medien schwingt ein wenig mit, das Geld könne doch wohl nur aus illegalen Geschäften stammen. Jedenfalls wurden die Scheine überprüft und waren alle echt. Aber natürlich interessieren wir uns auch noch für die Rechtfertigungsversuche, die das Polizeiprotokoll als Aussage der beiden Esten zitert: er wolle sich eine Yacht kaufen, und habe die Summe wegen der Wirtschaftskrise lieber selbst mitgebracht, als auf einen Banktransfer vertrauen zu müssen. Manche Mieden variieren das, und machen daraus einen "Grundstücksverkauf" - aber das war's schon mit den Sensationen (Grundstück verkauf, Yachtkauf geplant, klar!). Und für alle, die eine Yacht oder ein Grundstück einem Esten verkaufen wollen: nehmen sie eine Geldkassette mit.

Und übrigens: das Münchner Oktoberfest kommt in seiner Bedeutung erst weit hinter den Eigentümlichkeiten Estlands; das stellte erst vor wenigen Monaten die Münchner SPD fest (die jetzt aber ganz andere Sorgen hat). Nachzulesen hier.

Gibts noch etwas zu sagen zum Thema "Estland und das Oktoberfest?" Vielleicht der Oktoberfest-Kriminalroman, geschrieben bereits 2006. Angeblich mit einer "sexy Aufhilfe aus Estland" (siehe: Literaturnetz). Also: es gibt Spannenderes als Bargeld im Rucksack durch die Welt zu tragen. 

Donnerstag, September 24, 2009

Eine Biografie - Erika Salumäe


Bild: Eesti Elu 1992
Eine Buch-Biografie hat in diesem Jahr ein großes Echo in Estland gefunden. Es geht um die erste estnische Goldmedalliengewinnerin bei Olympischen Spielen. Und nicht nur einmal. Ihre Siege hatte sie noch während der Sowjetunion und dann in Barcelona 1992 errungen, als erstmals wieder Esten im Nationaltrikot starten konnten.
Etwas lakonisch noch der Wikipediaartikel zum eher dramatischen sportlichen Finale:
Erika Salumäe gewann bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul, noch als Starterin für die UdSSR, die Goldmedaille im Bahnradsprint der Frauen. Im Finale schlug sie die deutsche Christa Rothenburger. Diesen Erfolg konnte sie bei den Olympischen Sommerspielen 1992 in Barcelona unter widrigen Bedingungen wiederholen. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Selbstständigkeit Estlands war Salumäe von der früheren Sportförderung der Sowjetunion abgeschnitten. Deshalb musste sie ohne eigenes Material nach Barcelona reisen. Ihr Sieg gelang mit einem geborgten Rennrad des australischen Teams. Sie gewann damit die erste goldene Medaille bei Olympischen Spielen für die junge estnische Nation.


Das Promotion-Video für die englischsprachige Ausgabe: "To Stay Alive":

Es gab schon vor ihrem zweiten Olympiasieg eine Biografie, sie erschien 1991:

Und vielleicht bemerkt jemand im Video diese Szene:
Und manchmal sorgten nicht die Athleten, sondern die Organisatoren für unangenehme Erinnerungen. Wie im Falle von Erika Salumäe. 1992 gewann die Athletin im 1.000-Meter-Radsprint der Frauen die Goldmedaille. Für die junge Republik Estland, die nach dem Zerfall der Sowjetunion erst im Jahre 1991 ihre Souveränität wiederhergestellt hatte, war dies ein großer Moment. Die Organisatoren der Olympischen Spiele hatten sich offensichtlich noch nicht ausreichend mit den politischen Veränderungen dieser Zeit und den neuen Staaten befasst. Daher machten sie diesen triumphalen Moment in Salumäes Karriere zu einem peinlichen Ereignis. Sie zogen die estische Flagge nämlich verkehrt herum auf. Im Nachhinein konnte Salumäe darüber sicher schmunzeln, denn an der Medaille für Estland und für sie konnte dieser Fauxpas ja nichts ändern.

aus: Mehr Patzer bei den Spielen
Die Flagge richtig rum, allerdings schon 1989, als Blau-Schwarz-Weiß noch ein neues Gefühl war.

Und die neue Biografie von Ene Veiksaar:

Die reichsten werden die ersten sein?

Immer wieder gleichbleibender Beliebtheit erfreuen sich in den neuen EU-Mitgliedstaaten Listen der Reichen und der Reichsten. Allzu groß sind die Unterschiede zwischen denen, die viel und reichlich haben, und anderen, die eher ums Überleben kämpfen. 
Und dazu kommt auch der größer werdende Markteinfluß der "Yellow Press" - wer innerhalb weniger Jahre Millionen anhäuft, da darf von "plötzlichem Reichtum" geredet werden, und in der öffentlichen Darstellung schwingt vielleicht der Verdacht unredlicher Vorgänge immer mit.

Nun hat Äripäev mal wieder so eine Liste veröffentlicht. Die reichsten 500 Esten wurden ermittelt, diesmal nicht durch bloßes Zusammenzählen von Guthaben und Eigentum, sondern nach einem besonderen Punktesystem, das auch Investitionen und "Wert von Unternehmen" berücksichtigen soll. Wie gern die regionalen Medien zumindest sowas aufgreifen, zeigt sich schon daran, dass gleich am nächsten Morgen auch die Tageszeitungen des baltischen Nachbarn in Lettland diese Liste wiedergeben. 

Nun kann natürlich diskutiert werden, wer da drauf steht, und warum. Teilweise auch: wer ist das überhaupt? Einige Namen sollen darunter sein, die sich bisher hinter den Firmenbezeichnungen von Offshore-Firmen verbargen.  

BalticBusinessNews kommentiert dazu: "Die Wirtschaftskrise nahm Estland's Reichen 50 Millionen." Oh, wie schrecklich, möchte da doch mancher denken. Die gleicher Quelle ergänzt: im Jahr 2006 besaßen Estlands Reichste noch 131,5 Milliarden estnische Kroon (ca. 8,1 Milliarden Euro). Auf dem Weltfinanzmarkt insgesamt sicher nicht viel. Bis 2009 ist das nun auf 122 Milliarden geschrumpft, und die absolute Zahl von "reichen Esten" soll um 29% zurückgegangen sein.

Sind das nun positive oder negative Auswirkungen der Wirtschaftskrise?
Der Reiche lebt fröhlich wie die Niere im Fett
- das soll angeblich ein Sinnspruch aus Estland sein (siehe "operone")

Freitag, September 18, 2009

Loklovers Alptraum

Aus einem Unglück, von dem kürzlich in einigen deutschen Medien (Naumburger Tageblatt, Die Welt, Spiegel online, Bahnaktuell)  zu lesen und zu sehen war, lässt sich offenbar die Geschichte einer eisenbahntechnischen Beziehung zwischen Deutschland und Estland lernen. Ich bin kein Eisenbahnfachmann, aber zunächst mal scheint die "Lok 20" keine unbekannte Modellreihe zu sein, und noch an mehreren Stellen als anschauliche, geräuschvoll dampfende historische Bahn im Einsatz zu sein.

Die am 12.September 2009 bei einem Zugunglück auf der Lößnitzgrundbahn verunglückte und schwer beschädigte Lok mit dieser magischen Nummer 20 gehörte eigentlich zur Mansfelder Bergwerksbahn (MBB) und hatte auch eine Vergangenheit in Estland.

Anlässlich des 125jährigen Strecken-jubiläums der Lößnitz-grundbahn, welches am 12. und 13. September an dieser Strecke gefeiert werden sollte, wurde die Lok 20 der Mansfelder Bergwerksbahn von der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft mbH für einige Tage angemietet.  

Der "Verein Mansfelder Bergwerksbahn e.V. (MBB e.V.)" betreibt seit 1991 eine historische Museumseisenbahnstrecke zwischen Benndorf und Hettstedt (Südharz /Sachsen-Anhalt). Hier, wo ehemals Kupferschieferbergbau betrieben wurde, sicherte man sich eine Lok, die 1951 beim " Lokomotivbau Karl-Marx" in Potsdam-Babelsberg hergestellt worden war - und dann als Reparationsleistung nach Sowjet-Estland ging.
"Diese Lok ist für uns eine ganz besondere", erzählte MBB-Vorsitzender Thomas Fischer im Naumburger Tageblatt. "Das Fahrzeug wurde als Schrott in Estland aufgekauft. Es diente dort als stationärer Dampferzeuger. In mühevoller Kleinarbeit haben Vereinsmitglieder in Zusammenarbeit mit den Experten der Malowa-Werkstätten die Lok wieder hergerichtet. Sie musste komplett aufgearbeitet werden." Nun ja: 1951 gebaut, 40 Jahre Estland, in den 90er Jahren zurück nach Ostdeutschland. Auf verschiedenen Internetseiten ist zu lesen, dass die Lok 20 1996 von einem Museum aus Lavassaare / Estland zu den Mansfeldern kam. Alt gewordene Reparationsleistungen kommen zu neuem Ruhm - und verunglücken dann doch. Ein Technikschicksal.


Technische Details zur Lok 20 (MBB)
Estnisches Eisenbahnmuseum Lavassaare


Sonntag, September 13, 2009

The Baltic Times

Wer seit den frühen 90ern Nachrichten aus dem Baltikum lesen wollte und weder Lettisch, Litauisch oder Estnisch verstand, war auf die wenigen englischsprachigen Publikationen angewiesen. Am Anfang war es bei mir The Estonian Independent. Später verschwand dieses Wochenzeitung um in der späteren Baltic Times aufzugehen. Diese hat ihren Sitz in Riga. Nun hat ein Teil der Redaktion aus Protest gegen ausbleibende Gehälter und Einflussnahme zugunsten von Anzeigenkunden den Arbeitgeber verlassen.
Victor Ozols ein Veteran von 1992:
Sadly, things at the old paper appear to have gone downhill from there, if the recently-departed editorial staff is to be believed. A few years after I left, The Baltic Observer merged with a rival newspaper called The Baltic Independent, yielding The Baltic Times, and the entire Times editorial staff just up and quit to form another newspaper called Baltic Reports. According to the staffers, they walked out in protest of not being paid in four months, and because they were being forced to write articles that favored advertisers.

English-Language Editorial Staff Quits Riga Paper, Launches Rival

Hier ist der Estland-Teil der Baltic Reports.

Mittwoch, September 09, 2009

Lafka - Alltag in der Krise


Lafka - shop on wheels
Originally uploaded by kalevkevad
Estland hat neben wenigen großen Städten viele kleine Ortschaften, verteilt über das ganze Land. Manche sind so abgelegen, dass zweimal die Woche ein kleiner Marktbus kommt.
Kalevkevad hat diese Szene an einer Haltestelle in Karepa festgehalten. Der Busfahrer, eben noch am Steuer, kann sich unmittelbar in einen Kassierer verwandeln.