Samstag, April 30, 2005

Lebensmittel anno 1992 Teil 2


Lebensmittelindustrie anno 1992 - noch ein Eindruck. Es handelt sich hier um Eintopfsuppen, die, in Gläsern verfüllt, damals in den Supermärkten verkauft wurden.Posted by Hello

Lebensmittelindustrie anno 1992 und warum es keine Alternative zu den EU-Standards gibt.


Die Zeitungsartikel über Wolfgang Richter zeigen auf, wie konsequent die Landwirtschaft in Estland auf EU-Niveau modernisiert wird. Dabei klingt an, dass viele Kleinbauern auf der Strecke geblieben sind. Das kann man bedauern, aber maßgeblich ist die Ausgangssituation der Lebensmittelindustrie im Jahre 1992, dem Jahr nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Das Umweltamt in Tartu ermöglichte mir Einblicke in die weiterverarbeitende Industrie landwirtschaftlicher Produkte der Stadt und Umgebung. Die Anlagen waren die Hinterlassenschaften der Sowjetunion. So hätte weiterproduziert werden können. Aber bei diesem Anblick ist klar, warum westliche Produkte, auch wenn sie teurer waren, nachgefragt wurden. Und in der EU wird eben nur nach EU-Standards verfahren. Ich sah und sehe für einen Mittelweg weiterhin keine Chance. Posted by Hello

Auswandern nach Estland - Die Geschichte des Wolfgang Richter

Auf nach Osten. Tatsächlich, Wolfgang Richter hat es getan. Und die deutsche Presse verfolgt seine zweite Karriere in Estland mit großer Aufmerksamkeit. Es scheint leichter zu sein, den estnischen Alltag durch die Augen eines deutschen Auswanderers zu betrachten. Ansonsten hätten wir wohl nicht soviel von den Verhältnissen in der Milchindustrie hoch im Norden erfahren. Ein paar Auszüge aus einem abenteuerlichen Leben:


DIE WELT 30. April 2004

Pioniere - Wolfgang Richter, 60, Estland

"Als wir das erste Mal vor zehn Jahren mit dem Schiff in Tallinn ankamen, war es ziemlich kalt. Wir mussten erst mal unser Taxi anschieben, um weiterzukommen. Die Esten sind zwar zurückhaltende Menschen, lautes Auftreten ist ihnen zuwider. Aber sie haben uns sehr freundlich aufgenommen, und wenn man sie einmal näher kennen gelernt hat, dann sind sie sehr herzlich. Da wird man schnell mal zum Saunagang eingeladen. Seit wir hier sind, hat sich rasend viel verändert. Die Menschen sind unheimlich motiviert, kreativ und flexibel. Vorhaben, die in anderen. Ländern Jahre dauern, werden hier innerhalb weniger Monate umgesetzt.



Jan Pallokat in DIE WELT über Richter:

Deutsche Investoren staunen zudem über den ungeheuren Ehrgeiz der kleinen Nation. Wolfgang Richter, der bei Tartu (Dorpat) in einer ehemaligen Kolchose Käse produziert und monatlich sechs Tonnen "Tilsiter" und "Parmesan" an estnische Supermärkte und Restaurants liefert, scheint es, als wollten es die Esten den Russen und dem Rest der Welt zeigen: "Seht her, wir sind existenzfähig, und nicht nur das kleine Anhängsel großer Staaten."

Während anderswo Landwirte bangen, ob die nötigen Erfassungssysteme für die EU-Agrarhilfen rechtzeitig funktionieren, sind die Esten mal wieder die Ersten. "Die Anteile an den Milchquoten wurden längst unter den Bauern aufgeteilt", berichtet Richter. Alles müsse immer 100prozentig korrekt sein, immer ganz genau nach den EU-Normen. "Die Lebensmittel-Inspektoren kamen zwei bis drei Mal im Monat auf den Hof und haben einfach alles kontrolliert", erzählt er. Wer Auflagen nicht erfüllt, bekäme eine Warnung, dann die vorübergehende und schließlich die endgültige Stilllegung. "Da sind die knallhart", sagt der Deutsche.


Der Tagesspiegel

Richter ist jetzt Meier

Tartu, km 4774: Ein deutscher Ex-Diplomat ist weit herumgekommen – und auf einer estnischen Kolchose gelandet, wo er Käse produziert

Wirtschaftsreferent Wolfgang Richter hat seine Beamtenlaufbahn im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland abgebrochen, um jetzt in einer estnischen Kolchose Käse herzustellen. Tilsiter Butterkäse – gewürfelt, gerieben, in Scheiben oder im Block – sowie Parmesan: pur, mit Zwiebeln, mit Knoblauch oder brasilianisch gewürzt.




Wolfgang Richter ist 60 Jahre alt und wohnt in einem hässlichen grauen Block in einem Dorf bei Tartu, wo der Boden erst Mitte April auftaut und hinter einem riesigen Sumpf die russische Grenze verläuft. Richter fährt einen Opel Astra Caravan, in dem der Platz zwischen Vordersitzen und Heckklappe für seinen sperrigen, aber sehr verständnisvollen Labrador Bossi reserviert ist. Es geht Wolfgang Richter den Umständen entsprechend gut.

Richter ist ein schneller Redner, aber ein gemächlicher Autofahrer, was auf der Buckelpiste zur Kolchose ein Vorteil ist. Als ihm ein junger Landarbeiter entgegenkommt, stoppt er kurz und ruft aus dem Fenster: „Mach’s gut! Aber keinen Alkohol heute Abend, ja?“ Der schaut seinen Chef freundlich an, bevor er wortlos weitergeht.

Richters Geschäfte laufen jetzt einigermaßen, nachdem er die Startprobleme überwunden hat. So musste er sich mit einem Kolchosenverwalter aus Sowjetzeiten herumschlagen, der sich auf seine letzten Diensttage zur Größe eines Landwirtschaftsministers aufplusterte. Und die Fahrt durch halb Estland mit dem gebraucht gekauften, rechtsgelenkten Milchlaster war auch nicht einfach. Die Viehwirtschaft mit 220 Kühen hat Richter im vorigen Jahr aufgegeben, weil sie mehr Ärger als Geld einbrachte. Zwei von vier Melkerinnen waren Alkoholikerinnen. Es war schwierig, morgens um halb vier Ersatz herbeizutelefonieren. Jetzt kauft Richter die Milch für seinen Käse anderswo ein.

In der Meierei arbeiten nur sechs Leute fest. Auf die kann Richter sich verlassen. Eine Kollegin schmeißt den Laden so gut, dass Richter ihr 6000 Kronen zahlt, also fast 400 Euro. Sonst sind knapp 300 Euro üblich. Richter verdient zurzeit kein Geld mit seinem Käse, weil die großen Monopolisten den Milchpreis hoch halten, nachdem viele kleine Milchbauern im Zuge der EU-Vorbereitungen aufgeben mussten. Estland ist nämlich besonders eifrig, wenn es um die neuen Normen geht. So eifrig, dass viele Kleinbauern ihre Kühe schlachten mussten, weil ihre Milch bei den ständigen EU-Qualitätskontrollen wegen zu vieler Bakterien durchfiel. Jetzt wursteln sich die Kleinbauern mit Getreideanbau und ein paar Schafen durch und haben gerade genug zu essen. Und Richter hofft, dass der Milchpreis sinken wird, wenn der Markt auch der lettischen und litauischen Konkurrenz offen steht.

Auch er will expandieren und seinen Parmesan bald in Finnland und Schweden verkaufen. Vom russischen Markt hat Wolfgang Richter sich zurückgezogen, nachdem er sein Geld nicht bekam. Er braucht wenig zum Leben, aber betrügen lässt er sich nicht – zumal er ja auch Volkswirtschaft studiert hat. Es war ja nur eine Kette von Zufällen, die den Diplomaten auf die Kolchose geführt hat. Richter kann das bei Kaffee und Käsewürfeln schön erzählen, während der Labrador unter dem Tisch döst, und der Abend eine Reifschicht auf den Opel legt. Kurz gesagt, hat Richter zwei Brüder, von denen einer Lehrer in Berlin ist und der andere Pferde auf der schwedischen Insel Gotland züchtet. Dort war vor Jahren ein Este zu Gast, der erzählte, wie in seiner Heimat gerade die einst staatlichen Kolchosen verschleudert würden. Der Lehrer gab den Brüdern das Geld, mit dem sie ihr Glück im Osten versuchen wollten. Der Pferdezüchter kniff. Wolfgang Richter blieb mit Frau und 400 Tieren in der ehemaligen Sowjetrepublik Estland zurück.


In der aktuellen Druckausgabe des Tagesspiegel:

Die schicken Landmaschinen sind den Brüsseler Fördertöpfen und den günstigen Leasingangeboten der estnischen Banken – zumeist Ableger skandinavischer Geldhäuser – zu verdanken. Schon vor dem Beitritt förderte die EU den Kauf von Landmaschinen, teilweise mit mehr als 50 Prozent. Den Eigenanteil konnten Landwirte dank der Leasingmodelle leicht aufbringen: Nach mehrjähriger Ratenzahlung an die Bank gehören ihnen die Maschinen. Das Zinsniveau ist gering; Richter etwa zahlt 4,6 Prozent.

Nachdem der Fuhrpark erneuert ist, gibt Brüssel jetzt Geld für landwirtschaftliche Gebäude. Nun werden Silos und Ställe gebaut. Allerdings findet der Boom ohne die Kleinbauern statt: „Die haben verloren, die sind getötet worden“, sagt Richter. Kleinbetriebe, die sich keine modernen Kühlsysteme oder geflieste Räume leisten konnten, wurden wegen Nichteinhaltung der neuen Hygienevorschriften geschlossen. Das Sterben der Kleinbauern macht dem Käsehersteller aber weiter zu schaffen: Seit deren Milch vom Markt verschwand, halten die Großen die Preise hoch.

Auch bei den Handelsbeziehungen ist Richters Meierei exemplarisch für das kleine Land: Er bemüht sich intensiv – aber bislang vergeblich – um einen Einstieg in den finnischen und schwedischen Markt. Auf Geschäfte mit dem riesigen, vielen Esten noch immer verhassten Nachbarn Russland setzt er nach einem gescheiterten Anlauf nicht mehr. „Es gibt eine totale Hinwendung nach Westen“, sagt Richter – und zwar in allen Lebensbereichen.



Sogar die Postimees (Tageszeitung) berichtete im März 2005. Das muss für die Esten schon eine kuriose Geschichte sein. Am Ende des Artikels gab es sogar noch den Lebenslauf von Richter als Curriculum Vitae

CV

• Sündis 18. septembril 1943 Dresdenis seitsmelapselise pere kolmanda lapsena.

• Kasvas üles Lõuna-Saksamaal Regensburgis, kus tema ohvitserist isa, kes 1947. aastal naasis Venemaalt sõjavangist, oli kasarmu komandör.

• Lõpetas Müncheni ülikoolis majandusteaduskonna ja rahvusvahelise õiguse instituudi.

• Hannoveris aega teenides oli ka ujumistreener ja õppis selgeks portugali keele.
• 1976–1983 Saksamaa Liitvabariigi diplomaat Portugalis. Pärast seda töötas kuni erruminekuni (1990) diplomaadina Argentiinas, Tšiilis, Uruguais, Brasiilias ja Venezuelas.
• 1990–1993 pidas vennaga Stockholmi lähedal pastatööstust. 1993. aastal ostis koos kahe vennaga Tammistusse suurfarmi, hiljem pani seal käima saksa juustu tegeva väikese meierei.
• Abielus brasiillanna Marlyga. Revali hotelligrupis konverentsikorraldusega tegelev tütar ja Tele2 arvutiinsenerina töötav poeg elavad Stockholmis.

Freitag, April 29, 2005

Finno-Ugrische Parlamentarier in der EU werden aktiv

Im Europaparlament haben die Vertreter der finno-ugrischen Muttersprachler eine Initiative ergriffen, Anliegen der kleinen verwandten Völker außerhalb der EU auf die Tagesordnung zu bringen. Wobei den meisten Europäern Bezeichnungen wie Vepsen, Nenzen usw. völlig unbekannt sein werden. Etwa 6 Prozent aller gewählten Parlamentarier der EU gehören zur finno-ugrischen Sprachgruppe. Hauptsächlich sind dies Estnisch, Finnisch und Ungarisch.

Finno-Ugric Minority of Russia Grateful to the European Parliament for Support 2005/04/27

The Mari nation expresses its gratitude to the European Parliament and international supporters

As the Mari minority in Russia learned about the move to protect its rights initiated in the European Parliament, their leading organisations jointly published an open letter. The authors point that a traditional holiday, The Day of the Mari Hero, is celebrated on 26 April when the Mari issue will be discussed at the European Parliament. They express their gratitude to members of the European Parliament and to all people who have put their signatures under the Appeal on Behalf of the Mari People open on the web page www.ugri.info/mari.

The letter reads:

"[...]

"This time, the Day of the Mari Hero will be unusual. On the same day in Brussels one of the working groups of the European Parliament will be discussing the issue of infringement on human rights and violation of democratic norms in the Republic of Mari El.

"The European MPs scarcely know that the Mari nation has a holiday called the Day of the Mari Hero and that they will hold their discussion exactly on this date. But what a concurrence! May we express our gratitude to the deputies of the European Parliament for their care for the future of our people. Using the occasion, we congratulate our compatriots with the holiday and also thank all people from all around the world for putting about 10 000 signatures of solidarity and in support to our people on the Internet!

Council of All-Russian Mari Movement ‘Mer Kangash’

Republican Council ‘On Kangash’

Nongovernmental Organisation ‘Mari Ushem’

Yoshkar-Ola City Branch of ‘Mari Ushem’

Organisation of Mari Youth ‘U Viy’”

For the complete text of the letter in Russian, see: http://www.mari.ee/rus/news/soc/2005/04/02.htm

Öffentliche Personen der Mari leben gefährlich, etliche wurden Mordopfer in den letzten Jahren. Die meisten Fälle bleiben unaufgeklärt und gelangen auch nicht in das europäische Medieninteresse. (siehe auch Posting vom 20. März)

Ein weiterer Brennpunkt unter den Finno-Ugriern ist zum Beispiel die Republik der Komi. Hier gibt es große Bedenken gegen einen weltbankfinanzierten Abbau von Bauxit und den daraus entstehenden Umweltbelastungen, Link.



Immerhin zeigen die Proteste in der Russischen Förderation, dass Bürger mittlererweile wichtige Anliegen selber in die Hand nehmen und dabei auch große Risiken einzugehen bereit sind (und gleichzeitig weniger Hoffnung auf eine "gelenkte Demokratie"hegen).

Mittwoch, April 27, 2005

Winter und Schnee


Der Winter hat im April noch einmal Schnee in Estland hinterlassen. Nichts Ungewöhnliches. Aber das Klima in einem Land der Größe Belgiens kann sehr unterschiedlich sein. Das Geografische Institut in Tartu hat auf seiner Homepage ein paar Grafiken darüber veröffentlicht. Hier die Anzahl der Tage mit Schneebedeckung. Am längsten hält sich diese südlich von Rakvere und im Skigebiet zwischen Tartu und der lettischen Grenze. Auf den Inseln taut es am schnellsten wieder ab. Etwas anderes ist die Vereisung der Ostsee. Sie setzt erst mit etwas Verspätung im Winter ein. Wer es darauf abzielt, einmal mit der Fähre durch das Packeis nach Helsinki und Tallinn zu fahren, sollte vorher bei den Finnen mit ihren Eismeldungen nachschauen ("Jäätä"- die grauen Zonen sind vereist). Im Moment gibt es noch Küsteneis vor St. Petersburg und besonders im Bottnischen Teil der Ostsee.

Montag, April 25, 2005

Estland - Weblogs - Englisch

Die Sache ist klar. Informative Webseiten über Estland, nehmen wir zum Beispiel Geschichtsthemen, lassen sich von Deutschland aus nur mit Englischkenntnissen erschließen (davon ausgehend, dass nur wenige Estnisch verstehen).
Darunter die Seite des Okkupationsmuseums, das in deutschsprachigen Medien schon häufger beschrieben wurde.
Mittlererweile fangen Esten an, auch persönliche Blogseiten englischsprachig zu veröffentlichen. In diesem Jahr kam ein Blog zum Thema "Estnischer Film"hinzu. Vielversprechend, jede halbwegs bedeutende Filmproduktion wird dort voraussichtlich Erwähnung finden. Samt Link-Verzeichnis.

Kriegsende am 8.Mai 1945 in Estland ?


Viele Esten mögen nicht das Kriegsende Anfang Mai feiern. Warum nicht? Posted by Hello

Eine Antwort kann dieses Foto geben. Es zeigt das Hissen der Roten Fahne auf dem Langen Hermann, dem alten Burgturm neben dem Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Tallinn. Es erinnert an eine ähnliche Szene mit den Soldaten auf dem Reichstag in Berlin, aber das Datum ist hier ein völlig anderes: Die Esten hatten es nach Abzug der deutschen Wehrmacht im Sommer 1944 geschafft, wieder ihre eigene, blau-schwarz-weiße, über dem Stadtzentrum von Tallinn aufzuziehen. Doch nicht lange, ab dem 22. September 1944 galt Estland zum zweiten Mal nach 1940/1941 wieder als Territorium der Sowjetunion. Im Sommer befanden sich viele Esten auf der Flucht vor der Roten Armee Richtung Ostsee, um nach Schweden, Deutschland und andere Nachbarländer zu entkommen. Wer zurückblieb und auf den vorbereiteten sowjetischen Verhaftungslisten stand, landete erstmal im Gefängnis, 1949 erfolgte dann die große Deportationswelle nach Sibirien. Gleichzeitig tauchten tausende Männer (genannt Waldbrüder) in den Untergrund ab und begannen einen Partisanenkrieg, der in Litauen nach 1945 sogar zu offenen Feldschlachten mit sowjetischen Einheiten führte.

Donnerstag, April 21, 2005

Oho, Sonnenschein!

Die Fußballgrößen Europas, oder besser die Funktionärsgrößen des europäischen Fußballs sind in Tallinn. Die UEFA hält dort ihren Kongreß ab.
Die wichtigste Zeitung Estlands Postimees begleitete natürlich von der ersten Sekunde an unseren Kaiser.

«Keiser» Beckenbauer jalgpallipresidendiks?

Veiko Visnapuu, reporter


«Ohoo, Sonnenschein!» (Ohoo, päikesepaiste!)


waren die Worte von Franz Beckenbauer, als er bei Ankunft aus dem Tallinner Flughafengebäude trat.
Was denn sonst, ist ja schließlich Frühling.

Dienstag, April 19, 2005


Es gibt Orte, die die Lebensenergie eines Landes bündeln, sagen manche Esten. Das ist Kalevipoeg, der Sohn des Kalev. Mit ihm beginnt überhaupt erst die estnische Geschichte. Das deutsche Gegenstück wären die Gestalten aus den Nibelungen (wenn überhaupt vergleichbar). Die Sowjets sollen dieses Monument abgerissen haben, um den Widerstand der Esten zu schwächen, sagen die Einheimischen. Ausserdem habe er die Wälder ringsum überragt. Endlich habe ich ein Foto von dem Original (um 1900) gefunden. Vor über 10 Jahren wurde eine Kopie wiederrichtet. Posted by Hello

Freitag, April 15, 2005

Neue Regierung - Neuer Aussenminister

Es dauert im Schnitt etwas mehr als ein Jahr und es gibt eine neue Regierung in Estland. Also nicht der Rede wert?
Interessanter sind hingegen die Lebensläufe der wechselnden oder neuen Minister: Als Beispiel soll hier der neue Aussenminister dienen.

Minister of Foreign Affairs Urmas Paet

Date and place of birth: 20 April 1974, Tallinn

Education:
1996 University of Tartu, masters studies in political science
1996 University of Tartu, political science

Career:
Since April 2003 Minister of Culture
November1999 April 2003 Nõmme city district elder
September 1999 November 1999 Estonian Reform Party, adviser
October1998 August1999 AS Postimees, news editorial office, senior editor and political journalist
September 1994 September 1998 AS Postimees, news editorial office, reporter
March 1993 September 1994 Estonian Radio, news editorial office, editor
May 1991 May 1992 Estonian Radio, chief editorial office for international news, editor

Party membership: the Estonian Reform Party

Marital status: married, one child

Languages: Estonian, Russian, English, German, Finnish


Zu beachten sind einmal das Alter. Unter dreissig ist man schon Minister, ohne langes Vorspiel gleich Aussenminister. Und vorher war er tätig im Kulturbereich, und davor Journalist. Mit zwanzig schon längst in verantwortlicher Position. Der Vergleich zu Deutschland an dieser Stelle kommt zu dem Ergebnis: Geht nicht.

Das sind die Vorteile eines kleinen (jungen) Landes. Unsere deutschen Spitzen müssen im Gegensatz dazu erstmal jahrzehntelang durch irgendeine Parteimühle bis sie an den entscheidenen Stellen landen.

Kurios ist auch, worüber Urmas Paet sich als Kulturminister Sorgen gemacht hat. Neben den üblichen Verpflichtungen auch der Schutz der mythologischen historischen Kultplätze in Estland.




Help save the sacred hill




Help save the sacred hill of Hiiemägi

The sacred hill of Hiiemägi in Paluküla (province of Rapla, municipality of Kehtna) in Estonia needs your help. The hill is threatened by plans to set up a massive holiday and sport resort on this historic, sacred site and its surroundings in the protected landscape of Kõnnumaa. Preparations for the project have already started.

It has become clear that the officials of the Rapla province with power to decide on the issue are ignoring the fact that the hill is sacred. The plans have been approved by the officials responsible for conserving environmental as well as historic values in the province.


Im März fand eine Konferenz zu diesem Thema statt. Nachzulesen bei oben angegebenen Link.

Mittwoch, April 13, 2005

Nachspiel

Indrek Neivelt verlässt Hansapank.
Für manche der wichtigste Wirtschaftsboss in Estland. Die Zeitung Äripäev bezeichnete ihn einmal als "influential human computer".

30.03.2001 Äripäev
Head of Hansabank Indrek Neivelt has been referred to as a somewhat cold human computer, a one-man institution, a future-visionary and of course of the most influential people in Estonia.
But these are sentimental utterances or myth, as Neivelt himself says. "Yes, I still am a human computer. I calculate in my head. Well, not the bank's balance sheet, but in orders of magnitude, yes," Neivelt says with pride and recommends mental arithmetic to other heads of companies.
It's a fact that Indrek Neivelt, a 34-year-old who has been at the helm of Hansabank for only a little over two years is, according to the survey of the heads of the companies of the Äripäev TOP 100, the most influential and valued company director in Estonia. And it's a fact that his company is valued just as highly.
"The fact that Hansabank is the most influential does not honestly surprise me, but the fact that I am the most influential company director surprises me indeed," Neivelt says for some reason modestly. It is true that he has clearly attempted to keep a so-called low profile in public life, perhaps that is the reason for the surprise? "Well, you could say that," Neivelt admits.


Wie es sich für einen Esten gehört, sagte er damals ausserdem:

I have a very clear principle - I speak when I have something to say.


Der Rücktritt verstärkt die Sorgen in Estland, inwieweit Hansapank bald noch von den eigenen Mitarbeitern geprägt sein wird. Die Spitze hat sich bereits verabschiedet.

Und ebenso kurz kommt seine aktuelle Stellungnahme zur seiner Zukunft:

"Ich weiss nicht, was passieren wird"

Donnerstag, April 07, 2005

Hansapank - Die Schweden haben ihr Ziel erreicht

Jetzt haben die Schweden mehr als den geforderten 95 % Aktienanteil, um die estnische Hansapank vollständig zu übernehmen. Die schwedische Bank will durch den Aufkauf die führende Bank im skandinavisch-baltischen Raum werden. Die restlichen Aktienbesitzer werden nun nach Tallinn gebeten laut einem Bericht von der Tallinner Börse:

HPA: Comment to an article in business daily Äripäev

AS HANSAPANK STOCK EXCHANGE RELEASE 07.04.05

Comment to an article in business daily Äripäev

In an article published today in the business daily Äripäev, Henrik Kolga,
Swedbank's head of corporate communications, says that Swedbank intends to
convene an extraordinary shareholders meeting of Hansabank in May of this year to
decide on the squeeze out of the remaining minority shareholders at the price of
13.5 euros per share. Until then, Swedbank will continue to purchase Hansabank's
shares at the same price on the stock exchange.

Since Hansabank has no information about Swedbank's intentions to convene an
extraordinary shareholders meeting, we are unable to comment this information.



Welches Fazit aus dem Werdegang einer der profitabelsten estnischen Banken bis zur Übernahme durch Swedbank lässt sich ziehen?

1.
Schweden war von 1988-1991 kein enthusiastischer Befürworter der Unabhängigkeit Estlands. Schließlich war die sowjetische Annektion der baltischen Staaten anerkannt worden.

2.
Das hat aber nach 1991 die schwedische Wirtschaft nicht davon abgehalten in Estland zu investieren oder produzieren zu lassen. Anteile an gut laufenden Firmen wurden übernommen. Zu einer Zeit, als sich deutsche Unternehmen erst auf Informationstour im Baltikum befanden.

3.
Die heftige Liberalisierung der estnischen Wirtschaft in den ersten zehn Jahren der erneuerten Unabhängigkeit hat keine zweifelhaften Glücksversprechen für Rentner und soziale Randgruppen hervorgerufen, denn am Anfang gab es keine Rücklagen, die zu verteilen waren. Die mussten erst erwirtschaftet werden. Ein defizitärer Staatshaushalt wurde mit einer neuen Verfassung quasi verboten. Schuldenmacherei, damit es allen kurzfristig besser gehe, wurde damit ausgeschlossen. Deshalb sind die Esten, in der europäischen Kommission vertreten, vehement gegen Verletzungen des Stabilitätspaktes. Einst dachten die Deutschen sie selbst wären die Gralshüter einer harten Währungspolitik für den Euro. Das sind jetzt wohl andere. Und Estland gehört noch nicht einmal zur Eurozone - noch nicht.

4.
Erst wenig mehr als 10 Jahre standen im Baltikum zur Verfügung, Kapital anzusammeln. Würden die Betriebe heutzutage nur aus maroden Sowjetruinen bestehen, würde sich auch kaum jemand drum kümmern. Stattdessen gibt es jetzt, in der Bankenszene zum Beispiel, eine offensive Kundenpolitik, fortgeschrittenes Online-Banking, Kontoführung umsonst usw. . So werden auch Konkurrenzunternehmen angelockt, die aus den schwerfälligeren europäischen Wirtschaftsräumen stammen. Schweden hat schon eine lange Friedenszeit hinter sich und trotz hausgemachter Krise vor Jahren genug Vermögen angehäuft. Und schwupp verschwindet ein estnischer Newcomer, in Deutschland noch nicht einmal richtig bekannt, von der Börsenbühne.
Das estnische Dax-Gegenstück heisst Talse. Der Index-Verlauf stand letztens an erster Stelle weltweit. Es wird spannend, ob Tallinn nun als Börsenplatz bestehen bleibt, immerhin wird es dort demnächst bis zu drei Unternehmen geben, die auf die Handelsliste wollen.

5.
Vielleicht ist diese Entwicklung für die Arbeitsplätze egal, vielleicht in Zukunft aber nicht. Wer weiß?