Sonntag, Mai 31, 2015

Neu gemixt: ein "echter Ossi"

Wechsel an der Spitze der estnischen Sozialdemokraten (Sotsiaaldemokraatlik Erakond): nicht mehr Sven Mikser, sondern Jevgeni Ossinovski ist jetzt der neue Vorsitzende. Geboren 1986 in Kohtla-Järve, Sohn des gegenwärtig reichsten Mannes in Estland, studierte Ossinovski Philosophie und Politik an der "London School of Economics and Political Science", der University of Warwick und Universität Tartu. Seit 2011 Mitglied des Riigikogu (Estnisches Parlament) mit den Arbeitsschwerpunkten Außen- und Europapolitik sowie Russland, war Ossinovski 2014/15 bis zur Neuwahl des estnischen Parlaments ein knappes Jahr lang Bildungsminister.

Immerhin ist Mikser amtierender Verteidigungsminister und war seit 2010 Parteivorsitzender. Im letzten Moment hatte er vor einer Kampfabstimmung die eigene Kandidatur zurückgezogen, so dass Ossinovski 443 Stimmen erhielt, 39 Delegierte stimmten gegen ihn.
Ist das Selbstverständnis des Jevgeni Ossinovski anders? Dem "Spiegel" sagte er einmal im Interview: "Außerhalb des Landes bin ich Este und Europäer, zu Hause sage ich: Ich bin ein Russisch sprechender Este."
Es heißt Ossinovski strebe gegenwärtig kein Ministeramt an - obwohl er bei der Neubildung der Regierung nicht berücksichtigt wurde. Allerdings hält er den gegenwärtigen Koalitionsvertrag für "überarbeitungsbedürftig" (siehe "Postimees"). Ossinovski hatte auch bei der Wahl des Ministerpräsidenten nicht für Taavi Rõivas gestimmt (ERR).

Interessant dürfte auch sein, ob der Konflikt zwischen Ossinovski und dem frisch ernannten Bildungsminister Jürgen Ligi weitergeht - 2014 musste Ligi zurücktreten, nachdem in den sozialen Netzwerken abschätzige Äusserungen Ligi's über Ossinovski bekannt geworden waren. "Die gegenwärtige Koalition wird keine vier Jahre überstehen" - diese Äußerung stammt ebenfalls von Jevgeni Ossinovski (ERR). Estnische Medien spekulieren außerdem darüber, ob sich die Sozialdemokraten nun einer Zusammenarbeit mit der Zentrumspartei nähern könnten, nach dem deren Vorsitzender Savisaar schon seit Wochen im Krankenhaus liegt und sich hier eventuell ebenfalls ein Wechsel an der Parteispitze abzeichnet.

Auch bei der gegenwärtigen Koalitionspartei "Isamaa ja Res Publica Liit" (IRL - "Pro-Patria- und Res-Publica-Union") stehen Änderungen an, die ihren Parteikongress am 6.Juni abhalten wird. Der bisherige Parteichef Urmas Reinsalu kandiert nicht für die Wiederwahl.