Sonntag, Februar 22, 2015

Hoffen auf den doppelten Champagner

Nie wurde in Estland gespannter ein festlicher Abend der US-amerikanischen "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" erwartet wie am kommenden Wochenende. Wenn nach estnischer Zeitrechnung in der Nacht von Sonntag auf Montag die diesjährigen OSCARS vergeben werden, könnten die Estinnen und Esten im Falle positiver Nachrichten gleich die nächste Nacht zum 24.2. weiter durchmachen, wenn der 97.Jahrestag der estnischen Unabhängigkeitserklärung gefeiert wird.

Es steht zu vermuten, dass neben einigen Fläschchen Champagner auch etliche Kilo Mandarinen bereitgestellt werden, denn seit der gemeinsame Film des Georgiers Sasa Uruschadse mit dem estnischen Co-Produzent Ivo Felt im Bereich "bester ausländischer Film" für einen Oskar nominiert wurde, befindet sich fast ganz Estland in gespannter Erwartung, auch die Facebookseite zum Film hat bereits über 6000 Fans. "Zum ersten Mal hat es ein kleines Land mit 1,3 Millionen Einwohnern geschafft für einen Oskar nominiert zu werden!" jubelt die estnische Presse (ERR). Es scheint sehr wahrscheinlich, dass Sonntagnacht eine Menge privater Treffen organisiert werden und viele Estinnen und Esten bei einer Direktübertragung aus L.A. mitfiebern.

Allerdings schätzen die Filmproduzenten selbst ihre Chancen als eher gering ein. Der Film (engl. Titel "Tangerines") hatte bisher noch keinen Vertrieb in den USA gefunden, ist dort also eher unbekannt. Erst vor wenigen Tagen sicherte sich "Samuel Goldwyn Films" die US-Rechte. Allerdings lief "Mandariinid" schon auf etwa 30 internationalen Festivals, und räumte Preise ab unter anderem in Warschau und Mannheim/Heidelberg, dazu eine Golden Globe Nominierung.

Einiges an Symbolik wurde schon in den Film hineingedeutet: von "Esten als Konfliktmediatoren"(ERR) bis "Mandarinen als Friedenssymbol". Sehr zeitaufwändig war die Produktion nicht: zwei Wochen soll Uruschadse für das Drehbuchschreiben benötigt haben, die Dreharbeiten dauerten ganze zwei Monate. 60% der Projektkosten in Höhe von 650.000 Euro kamen aus estnischen Fördertöpfen. Zusätzliches Geld floss in eine weitere PR-Kampagne, begleitend zur Oskar-Nominierung. Wenigstens als erster der drei baltischen Staaten möchte Estland nun einen OSKAR für sich verbuchen.

Hier ein letztes Interview - natürlich per "Skype" nach Estland übertragen - der "Mandariinid-Helden", live aus L.A., kurz vor der Preisverleihung. 22.495 Euro hat die estnische Regierung (als Kostenzuschuß) allein dafür bereit gestellt, dass die Filmemacher bei der OSKAR-Verleihung dabei sein können. Vielleicht bringts Sympathie-Punkte für die Parlamentswahl? Abwarten.

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