Donnerstag, Oktober 27, 2011

Erotisches Kapital gesichtet - in Estland

Nein, dies ist kein Börsenbericht, und hat nichts mit Strategien zur Rettung des Euro zu tun. Es geht auch nicht um eine Variante der Berlusconi-Affären, und erst Recht nicht um philosophische Betrachtungen über den Reiz des Geldes an sich. Vielmehr hat Roland Mischke, Autor bei "Die Welt", Betrachtungen darüber aufgeschrieben, wie "erotisches Kapital" eingesetzt werden kann. Und wo hat er diese Eigenschaften gefunden? Im Fokus stehen bei ihm weder leicht bekleidete Italienerinnen oder Spanierinnen, sondern an erster Stelle stehen offenbar Frauen aus Estland.


Einblicke ins
"erotische Kapital" -
jetzt neu in
deutschen
Medien
Wo dem Autor Estinnen mit ebensolchen Eigenschaften begegnet sind, bleibt aber leider etwas unklar. Weder die Illustration zum Beitrag zeigt eine Estin, noch die persönliche Erinnerung scheint zuverlässig. "Als sie das erste Mal zwischen unseren drei Schreibtischen stand, blond bis zu den Hüften und mit so strahlend blauen Augen, wie wir Bürostubenhocker sie bisher nur beim vorbeischnürenden Husky des Nachbarn bestaunt hatten, rückte sie sofort in den Mittelpunkt." Nun gibt es auch schwarzhaarige Mädchen in Estland, und auch Huskys sind dort nicht jedermanns Haushund. Estland wird es egal sein: irgendwie Eindruck scheinen estnische Frauen schon gemacht zu haben bei Mischke: "Wir Bürogemeinschaftler wollten nur noch wissen, wann sie anfing."

Soweit, so gut. Nun aber meint Mischke seine estnischen Assoziationen gleichsetzen zu müssen mit dem Buch „Erotisches Kapital“ von Catherine Hakim, eine Art "Ratgeber für Frauen, die stilvoll Karriere machen wollen".Das weist auf einen weiteren Beitrag in der WELT hin, ein Interview mit Elisabeth Bonneau, der so stilvolle Fragen gestellt werden wie "Ist Schönheit hilfreich oder hinderlich für den Erfolg?".Immerhin weist die Antwort dort darauf hin, dass sich auch Estinnen nie die Nase operieren lassen sollten - Einheit von innen und außen reicht, meint die weibliche Expertin (auch wenn sie dabei nur Goethe zitiert, und nicht den Kalevipoeg). "Kleidung ist weniger wichtig als Mimik", erzählt Frau Bonneau bereitwillig - womit immerhin nicht behauptet wird, Estinnen seien schlecht gekleidet. In Mischkes männlichen Beschreibung seiner estnischen Frauenträume kommt immerhin vor, dass die estnische Bewerberin "langsam ihren Mantel aufknöpft". Und nach ein paar aus verschiedenen Büchern gepflückten Zitate wie "Schöne Frauen verdienen 20% mehr" geht es noch weiter: "Wir Bürohengste, zwei davon mit hohem IQ, waren von Maarja betört. Am ersten Tag räumte sie um, am zweiten besaß sie die Hoheit über Kaffeemaschine und Kücheneck, am dritten orderte sie Büromöbel auf unsere Rechnung. Sie war präsent, schaute, redete, handelte. Staunend ließen wir sie gewähren." 

Was haben wir nach Lektüre dieses Beitrag über Estland gelernt? Wir wissen nicht, ob es die vom Autor beschriebenen Frauen überhaupt gab, oder ob es eher als Rechtfertigung dafür dienen soll, dass hier ein Mann Aussagen macht über Ratgeber für Frauen. Zumindest eines scheint klar, besonders für zukünftige Praktikantinnen in der Redaktion der "Welt": wer geschickt auftritt, und noch dazu behauptet aus Estland zu kommen, kann es dort offenbar weit bringen ...
Anmerkung eines Online-Lesers zum Beitrag: "Eine Frau die wirklich über 'erotisches Kapital' verfügt, zeigt es, aber sie gibt es nicht aus!"

1 Kommentar:

  1. Wollte ein längeres Kommentar zu dem Thema schreiben, aber die Bemerkung des Online-Lesers bringt es wirklich auf den Punkt. Es kann sehr nach hinten losgehen, wenn man ausser dem erotischen Kapital, den man auch nur an bestimmte Leute verteilt, sonst nichts auf dem Kasten hat. Wenn man nicht nur von Alpha-Hengsten umgeben ist, aus denen offenbar die Welt-Redaktion sich zusammensetzt (was mich kein bisschen verwundert), sondern von Leuten, die reflektiv (also ihre Motive hinterfragend) denken, kann so eine Art on Kapital schnell in Belastung umschlagen. Ob estnische oder osteuropäische Frauen mehr vom erotischen Kapital besitzen, als andere, da kann ich das Studium der Kommentare auf www.bbn.ee empfehlen, besonders älteren Datums.

    AntwortenLöschen