Mittwoch, Dezember 31, 2008

Este rettet deutschen Fußball

Wer hätte das gedacht! Ein Este rettet den deutschen Fußball und ....
holt Lukas Podolski zurück zum 1.FC.Köln. Die kölsche Presse überschlägt sich: "Dirigent holt Poldi zurück" - so titelt die BILD.
Nein, es ist nicht der 1.April, auch nicht Rosenmontag - es ist der 31
.Dezember. Es ist auch keine Falschmeldung: Dirigent Mihhail Gerts nahm mit dem WDR Rundfunkorchester Köln den Poldi-Song auf - und trifft damit die Seele der rheinischen Fußball-Fans.

Im Kölner Stadtanzeiger ist weniger von estnischen Bezüge zu lesen: der Südstadtchor in Köln hat das Liedchen zuerst gesungen, während das Management des WDR-Orchesters nun ein Geschäft daraus machen will: eine CD ist in Vorbereitung, und zum Mitsingen im Karneval ist das Liedchen allemal geeignet. "Wir stehen hinter ihm, wie ein Mann", singen die überwiegend weiblichen Mitglieder des Südstadtchors tapfer (die Youtube-Version hier).

Auch die
polnischsprachige Online-Presse hat von dem Projekt schon Wind bekommen.Derweil bereitet sich der 24 Jahre junge estnische Dirigent Gerts zusammen mit Sängerin Helene Fischer auf die WDR4-Sylvestergala vor, die ab 19.00 Uhr live übertragen wird (WDR4).

Vorbild Estland
Auch der "Chaos-Computer-Club" hat Estnisches noch in den letzten Stunden des alten Jahres zum Vorbild erkoren. Mehr "E-Government" ist hier der nicht ganz ernsthaft der Presse vorgetragene Wunsch, denn: "wenn dann mal was zusammenbricht, sind wir die ganze Bürokratie mit einem Schlag los."
Weitere Idee: ein "Bürger-Trojaner", der Volksvertreter und "Problempolitiker" heimlich online durchsuchen lassen kann. Ideen sind das ...

Wie man sieht: Estland inspiriert!

Sonntag, Dezember 28, 2008

Estland nur noch online?

Ist das glaubhaft - oder ist es nur entsprechend dem vituellen Ruf geschnitzt, den Estland in Europa so gerne pflegt?
"Esten lesen immer weniger Zeitungen" - so zitiert die Auslandshandelskammer der Schweiz eine akuelle Untersuchung (Saar Poll) in Estland. Mehr und mehr Menschen in Estland suchen sich die nötigen Informationen aus den Online-Medien. Von 3.000 befragten Personen gaben 14% an, die regelmäßige Lektüre von gedruckten Zeitungen innerhalb der vergangenen 12 Monate aufgegeben zu haben, weitere 6,5% wollen dies in allernächster Zeit tun. Die Leserschaft der Druckmedien sei so niedrig wie seit acht Jahren nicht mehr, so fassen es die Estland-interessierten Schweizer zusammen.

Allerdings schlägt dieser Trend nicht überall durch: die Leserschaft russischsprachiger Zeitungen und Zeitschriften zeigt sich stabil. Im Gegensatz zur russischsprachigen "Schwester" fiel bei der estnischen "Postimees" der Marktanteil im Laufe der vergangenen 8 Jahre von 26.7% auf 21.7%, bei "Eesti Paevaleht" von 21.7% auf 14%, und bei "Aripaev" von 10.9 percent auf 6.9%. Die meisten der Genannten setzen allerdings schon länger gleichzeitig auf ihre Online-Verfügbarkeit. So wurden gegenwärtig 91.000 regelmäßige Leser/innen der Online-Ausgabe von "Postimees" festgestellt, gegenüber 41.000 im Jahr 2004. Es folgen "Õhtuleht" mit einer regelmäßigen Leserschaft von 77.000, "Eesti Paevaleht" mit 64.000, die Wochenzeitung "Eesti Ekspress" 48.000, "Aripaev" mit 28.000 und die Wochenzeitung "Maaleht" mit 13.000 online-Leserinnen und -Lesern.

Wie sieht das im Vergleich in Deutschland aus? Trends werden regelmäßig von der "Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V." (auf www.ivw.de) veröffentlicht. Diesen Zahlen zufolge gibt es besonders bei Tageszeitungen und Fachzeitschriften einen enormen Rückgang. Dort ist nachzulesen, dass gegenwärtig etwa 3 Milliarden Besuche auf Seiten von Online-Medien gezählt werden (1997 waren es nur 0,02 Milliarden). Wen interessiert es also in erster Linie, ob Medien gelesen werden oder nicht? Weiterhin erstmal die Werbewirtschaft. Ob Menschen auch besser informiert werden oder sind, das wird wohl noch anderen Untersuchungen vorbehalten sein müssen.

Mittwoch, Dezember 24, 2008

Noor projektijuht - Kurz vor Weihnachten


Noor projektijuht
Originally uploaded by Siim Teller
Ich weiß: Das ist Klischee, Skype, die jungen Esten und so weiter. Trotz Wirtschaftskrise, an Projekten wird weiter gearbeitet.
Photo: Siim Teller


Und ein Lesetipp: Flasher_T schreibt in seinem Post vladivostok-2008 wie die Weltwirtschaftskrise sich auch auf den Fernen Osten auswirkt. Und was das alles mit Estland zu tun hat. Jedenfalls ein Beispiel mit was für Unbekannten wir 2009 rechnen sollten.

Freitag, Dezember 19, 2008

Mein Wunsch für 2009

Und überhaupt, damit Informationen leichter aus Estland in den deutschsprachigen Raum dringen, wünsche ich mir ein Textübersetzungsprogramm für Estnisch. Vorbild bablefish bei Altavista. Die Englisch-Russische Übersetzung dort hat deutlich an Qualität gewonnen. Solange das nicht auch auf Estnisch-Deutsch geht, werden weiterhin einige englische Übersetzungen aus estnischen Meldungen ins Deutsche übertragen, ein Internetfund, hier das Ergebnis, das jemand gepostet hat. Es geht um die Wahlmöglichkeit per SMS:

Das estnische Parlament wählte letzten Donnerstag auf einer Rechnung, die Estonians ihre Stimmen von ihren jeweiligen Mobiltelefonen würde setzen lassen.
Mit einer starken Geschichte des Seins Technologie-Vorwärts, führte Estland leicht das Maß und Bürger sind jetzt in der Lage, in ihren folgenden parlamentarischen Stimmen 2011 anzurufen.
Um durch Mobiltelefon zu wählen, wird Estonians ein spezieller Span für ihre Hörer herausgegeben die bewegliche Zahlungen sowie das Überprüfen des caller’ im Auge behalten; s-Identität.

Mittwoch, Dezember 10, 2008

Nicht zu fassen! Unglaublich Lebensrealität oder Phantasie und Fake?

Die Erwähnung des Estland-Blog-Posts über estnische Frauen im Postsozialismus im Emma-Forum führte zur Entdeckung eines dort erwähnten Interviews mit einer jungen Prostituierten unter dem Titel “Nur eine dumme Frau hat Sex ohne Bezahlung", das die estnische Zeitung Eesti Ekspress bereits am 17. Juli dieses Jahres veröffentlichte.

Eesti Ekspress ist eine während Glasnost und Perestroika entstandene unabhängige Wochenzeitung, die zwar viele Texte eines seriösen Journalismus publiziert, aber gleichzeitig auch ein Boulevardblatt ist.

Die Antworten des jungen Mädchens sind, wie der Titel bereits vermuten läßt, dermaßen haarsträubend, daß auch unter den Leserkommentaren das Wort “Fake” auftaucht und zahlreiche Zweifel angemeldet werden, ob sich diese nicht ein Journalist ausgedacht haben könnte.

Das Interview ist für eine komplette Übersetzung zu lang. Aber hier einige Kostproben dessen, was Jelena angeblich gesagt hat. So weit vulgäres Vokabular verwendet wird, handelt es sich um eine Übersetzung.

Die Beantwortung der Fragen, wann sie das erste Mal und unter welchen Umständen Geschlechtsverkehr hatte, möge im Original lesen, wer des Estnischen mächtig ist. Dies ist nur mit Vergewaltigung, Kindesmißbrauch und Zwangsprostitution zu umschreiben.

Jelenas Grundlebenseinstellung ist, daß Frauen nicht arbeiten müssen, sondern Männer sich um ihren Lebensunterhalt zu kümmern haben. Dafür bezahlen die Frauen: natürlich mit Sex. Und deshalb sei jede Frau eine Nutte.

Sex, erklärt Jelena, sei eine Sache, die für Männer gedacht ist, auf die Frage, ob sie je auch sexuelle Befriedigung erlebt habe. Manchmal verlangten die Kunden von ihr widerliche Dinge, aber alles sei eine Frage des Preises. Ältere Männer ab 40 lehnten Kondome ab, das sei auch kein Problem.

Damit drängt sich die Frage nach sexuell übertragbaren Krankheiten auf. Ja, solche habe sie schon gehabt, könne sich aber wegen der komplizierten langen Namen nicht mehr konkret erinnern. Einmal sei sie dumm genug gewesen, einem HIV-Test zuzustimmen, und anschließend habe man ihr erklärt, sie sei infiziert, so Jelena.

Die Konsequenz? Sie werde eben jetzt nicht mehr zur Untersuchung gehen. HIV sei keine Krankheit, sie fühle sich absolute wohl und kenne andere Mädchen, die ebenfalls angeblich infiziert, aber in Wahrheit kerngesund seien. – Richtig, HIV ist auch keine Krankheit, sondern ein Erreger.

Wie ist es zu diesem Lebenwandel gekommen, daß Jelena noch nie einer Arbeit nachgegangen ist? Ihre Mutter habe auch nie gearbeitet, sondern als Prostituierte gearbeitet, aber jetzt sei sie alt. Hätte sie ihr früher Klienten zugeführt, kümmert jetzt mitunter sie sich um ihre Mutter, wenn Kunden ältere Frauen wünschen.

Wie stellt sie sich ihre Zukunft vor? Nur in den rosigsten Farben. Sie werde einen reichen und gut aussehenden Ausländer kennenlernen, einen Amerikaner und in die neue Welt übersiedeln. Dort lebten die Menschen in Villen.

Kinder wolle sie freilich nicht. Eine Tochter würde nur wieder eine Nutte, ein Sohn könnte immerhin Sportler oder Schauspieler werden.

Jelena ist angeblich JETZT 17 Jahre alt.

Freitag, Dezember 05, 2008

Überraschendes politisches Schauspiel um Geld

Auch Estland ist von der derzeitigen globalen Finanzkrise betroffen. Aus diesem Grund planten die Parlamentarier einen Schritt, der für ihre Kollegen weltweit ungewöhnlich ist. Üblicherweise wird gerade über gegenteilige Beschlüsse gestritten: Die Abgeordneten von Riigikogu wollen sich angesichts der klammen finanziellen Situation der Einwohner Estlands die automatische Vergütungserhöhung verweigern.

Das aber verstößt nach Ansicht von Präsident Toomas Hendrik Ilves gegen die Verfassung. Bereits einmal hat er das Gesetz zu neuerlichen Beratung an das Parlament zurück verwiesen. Die Abgeordneten verabschiedeten es aber erneut. Jetzt hat der Präsident die Novelle beim Verfassungsgericht eingereicht, daß wohl bis Februar kommenden Jahres entscheiden wird.

Õiguskantsler[1] Indrek Teder ist der Ansicht, daß die Verfassung zwar in der Tat die Erhöhung des Einkommens der Abgeordneten für die laufende Legislaturperiode verbiete, diese also nur für das nächste Parlament in Kraft treten könne. Dies gelte aber nicht für eine Senkung und das Einfrieren der Bezüge. Diese Meinungsäußerung hat nach Auffassung des Vorsitzenden des Verfassungsausschusses, Väino Lind, die Abgeordneten so weit überzeugt, daß das Gesetz mit 58 von 101 Stimmen verabschiedet wurde.

Die Reformpartei hat sich der Stimme jedoch enthalten. Jürgen Ligi begründete, daß angesichts von Arbeitslosigkeit und stagnierenden Einkommen dies auch für die Parteifreunde unangenehm sei.

Der Vorsitzende der Fraktion der Grünen, Marek Strandberg, bestätigt, es sei für die Gesellschaft in Krisenzeiten nicht egal, ob das Parlament konsequenten Sparwillen beweise. Gleichzeitig halte er es für richtig, den Streit zwischen staatlichen Organen vor dem Verfassungsgericht auszutragen.
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[1] Diese Institution ist in der estnischen Verfassung ein über den Ombudsmann weit hinaus gehendes Amt, daß auch die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebung und die Arbeit der kommunalen Selbstverwaltung beobachtet und berät.

Dienstag, Dezember 02, 2008

Estnische Frauen im Postsozialismus

Die vermeintlich weibliche Gesellschaft, ihre Formen, Ursachen und Fakten für das Beispiel Lettland wurden im Blog auf Deutsch und in der lettischen Tageszeitung Diena bereits diskutiert. Über die sozialen Folgen wird auch in der estnischen Presse berichtet: mit welchen Fragen werden heute im Ausland lebene Frauen konfrontiert und wie leben jene in Estland verbliebenen. Internationale Konflikte nach Trennungen bleiben ebenfalls nicht aus.

Aber zunächst einige Hintergründe.

Gesellschaftliche Realität im Sozialismus
Die Wirtschaft während er sowjetischen Zeit war weniger auf Dienstleistungen als auf Produktion ausgerichtet und diese war im Vergleich mit dem Westen wenig technisiert und deshalb eine arbeitsintensive. Da wenigstens ideologisch die Gleichstellung der Frau propagiert wurde, waren diese auch in Berufen beschäftigt, wo sie in westeuropäischen Gesellschaften kaum zu finden sind. Das fällt auch nach der Wende ausländischen Beobachtern meist schnell auf: Trolleybusse und Straßenbahnen werden überwiegend von Frauen gefahren.

Aber nicht nur darin unterscheidet sich die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Wegen der offiziellen und faktischen Gleichstellung, aber auch wegen der diktatorischen Herrschaft, die staatsbürgerliches Engagement nicht erlaubte, gab es in der Sowjetunion nie eine Frauenbewegung. Entgegen der bedeuteten Rolle der Frauen im Wirtschaftsbetrieb und oftmals als Manager ihrer Familie, hat sich ein archaisches Rollenbild der Geschlechter erhalten. Auch dies bemerken Ausländer schnell, daß die Damen im Alltag so viel wert auf ihr Äußeres legen wie in westlichen Gesellschaften nur zu bedeutenderen Anlässen. Bei längerer Beobachtung wird schnell deutlich, daß für die Frauen angesichts des männlichen Rollenverständnis die Verbindung von Beruf und Haushaltsführung der Normalfall ist.

Dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte eine Wirtschaftskrise und sozialer Niedergang, aber er brachte ebenso die Unabhängigkeit und neue Möglichkeiten.

Ausland und Ausländer als Ausweg?
Nach der Unabhängigkeit suchten viele Frauen ihr Heil in einer Verbindung mit einem westlichen Ausländer, zunächst häufig Finnen. Diese bilden allein wegen der geographischen Nähe den größten Anteil der touristisch oder geschäftlich in Estland reisenden Westler. Und dank der Empfangsmöglichkeit des finnischen Fernsehens schon während der Sowjetzeit war den meisten Esten diese eng verwandte Sprache geläufig. Die Attraktivität eines finnischen Partners minderte später der schlechte Ruf dieser Nation. Zu viele Finnen besuchten Estland vorwiegend wegen des günstigen Alkohols. Außerdem kamen als alternative Klientel Besucher zunehmend aus anderen westeuropäischen Staaten und aus Übersee.

Die Verbindung mit einem Ausländer bedeutet für die Frauen meistens früher oder später die dauerhafte Übersiedlung in ein anderes Land, denn die wenigsten Fremden übersiedeln auf Dauer nach Estland. Sie besuchen das Land meist nur zu Terminen oder leben als Vertreter ausländischer Firmen und Organisationen nur für einige Jahre an einem Einsatzort, um anschließend wieder versetzt zu werden. Für Vertreterinnen einer Nation, die gerade erst ihre Unabhängigkeit wiedergewonnen hat, ein schwerer Schritt, der mit dem Wechsel in eine andere Sprache einhergeht, denn das Estnische erlernen die wenigsten Ausländer. Trotzdem sind sie für einheimische Frauen eine so attraktive Partie, daß selten ein zeitweise nach Estland übersiedelter Ausländer lange alleinstehend bleibt. Keine Einheimische zur Frau nehmen meist nur jene, die bereits verheiratet sind.

Traditionelles Denken und Erhalt der Tradition
Ein Bestandteil des traditionellen Rollenverständnis ist der Kinderwunsch. Und damit wird der Erhalt der Muttersprache im Ausland und die Weitergabe an den eigenen Nachwuchs zum Thema. Viele im Ausland verheiratete Frauen lesen ihren Kindern vor, hören gemeinsam Kassetten und schauen Filme. Nichtsdestotrotz ist zu beobachten, wie die Kinder auf dem Weg zur Schule, so wird ein Beispiel aus New York beschrieben, die ersten Blocks noch mit Mama Estnisch sprechen, aber zehn Minuten später dann doch ins Englische wechseln. Eine mit einem deutschen verheiratete Estin, die mittlerweile in die USA umgezogen ist, mußte sich von ihrem elfjährigen Sohn fragen lassen, warum er in einer Sprache reden solle, die keiner seiner Freunde verstünde. Die Mutter antwortete ihm mit der Gegenfrage, wie er sonst mit seiner Großmutter kommunizieren wolle. Besonders schwierig wird es nach einhelliger Erfahrung, sobald die Kinder die Schule besuchen. Dann tritt die im Lande nicht gesprochene Muttersprache des einen Elternteils in den Hintergrund.

Das Rezept einiger Mütter dagegen ist, sich taub zu stellen. Ansonsten, so argumentieren sie, lernen die Kinder die Sprache nur passiv, verstehen sie, aber antworten doch in der anderen Sprache. Nicht immer ist dieses Vorgehen erfolgreich, weil manche Kinder darauf mit Trotz reagieren.

Aber manche Frauen berichten auch über innerfamiliäre Konflikte. Väter und Schwiegereltern fühlen sich mitunter ausgegrenzt, wenn Mutter und Kinder in ihrer Gegenwart in einer für sie unverständlichen Sprache kommunizieren. In manchen Familien ist der Gebrauch der Muttersprache der Mutter darum sogar verboten. Doch auch wenn es gelingt, die Muttersprache an die eigenen Kinder weiterzugeben, wird es in der dritten Generation zunehmend schwierig.

Traditionelles Denken und sowjetische Traditionen
Doch nicht alle Frauen können sich aus Patriotismus vorstellen, die Ehe mit einem Ausländer einzugehen und ihre Heimat zu verlassen. Einigen ist es vielleicht auch nicht gelungen, den entsprechenden Partner zu finden. So gab es gerade in den ersten Jahren nach dem Umbruch leider auch tragische Geschichten von Frauen, die ihr Geld in der Prostitution verdienten und sich dabei etwa mit AIDS infizierten. Sextourismus ist inzwischen vor allem auch im benachbarten Lettland ein Thema.

Neben den üblichen Gründen, sich diesem Risiko auszusetzen, wirkt hier ein vom Westen grundlegend abweichender Umgang mit Sexualität während der Sowjetzeit nach, der sich in der postsozialistischen Gesellschaft noch heute in einer über dem europäischen Durchschnitt liegenden Zahl von Abtreibungen wie auch im sozialen Profil der Patientinnen manifestiert. Während in westlichen Staaten die wenigstens Abtreibungen von Frauen gewünscht werden, die Familien haben und über 40 Jahre alt sind, sei es in Estland genau umgekehrt, so die Gynäkologin Kai Haldre. 71,4% der Frauen haben bereits wenigstens ein Kind und für 60,3% ist es nicht die erste Abtreibung. Das durchschnittliche Alter der Frauen beträgt 28,3 Jahre. Sie verfügen zumeist die über eine dem deutschen Realschulabschluß vergleichbare teils auch berufsspezifische Mittelschulbildung. Der Anteil mit Hochschulbildung ist seit 2001 von 9,5 auf 14,3% gestiegen. Die Frauen sind zu 57% berufstätig und leben zu 57% in einer festen Beziehung oder sind verheiratet. Sehr viele Patienten wollten irgendwann später noch einmal Kinder, so Heldre und erklärt dieses Verhalten mit fehlendem Vertrauen in Verhütungsmittel.

Ursächlich für diese beinahe als Ignoranz gegenüber der eigenen Gesundheit zu bezeichnende Haltung wie auch die Abwesenheit im Westen regelmäßig diskutierter moralischer Bedenken ist die Sowjetzeit. Im Gegenteil zu vielen westlichen Ländern, wo Abtreibungen erst in den 70er Jahren legalisiert wurden, wurden Abtreibungen hier ähnlich wie in anderen sozialistischen Bruderstaaten nicht besonders eingeschränkt. Die Zugänglichkeit von Verhütungsmitteln war es hingegen wohl, entsprechende Präparate geradezu verboten, wie Haldre sich ausdrückt. In den postsozialistischen Ländern wurden sie erst in den 90er Jahren verbreitet. Auch eine Sexualerziehung auf westlichem Niveau fehlte in der Sowjetzeit.

So ist es für Haldre nicht Ungewöhnliches, wenn eine Patientin in ihrer Praxis angibt, ihre Mutter habe gesagt, daß Verhütungstabletten gesundheitsschädigender seien als eine Abtreibung. Noch verbreiteter sind zweifelhafte Verhütungsmethoden. So haben nach eigenen Angaben 57,4% der Patientinnen, die eine Abtreibung wünschten, zwar in irgendeiner Form zu verhütet versucht, von denen sich 34,9% nur auf die Unterbrechung des Beischlafes verließen.

Derart unsichere Methoden sind in Estland, wie Haldre bedauert ganz im Gegenteil zu den nordischen Ländern, mit denen Estlands politische Elite sich gerne assoziiert, um sich von Osteuropa oder dem postsozialistischen Raum zu distanzieren, verbreitet. Die Ärztin ist sich unsicher, was in den Praxen, aber auch in den Köpfen der Betroffenen vorgeht, wenn weniger als ein Viertel der Frauen vor und nach der Wunschäußerung, eine Abtreibung vorzunehmen, sich mit Verhütung beschäftigen.

Als Gründe für die Abtreibung geben 37,2% der Frauen wirtschaftliche Probleme an, 23% vertrauen der Zukunft ihrer Partnerschaften nicht, respektive 11,9% möchten kein Kind von dem biologischen Vater. 17% beklagen eine zu kleine Wohnung und 16% wollen ihre Ausbildung erst beenden. Die Bereitschaft zur Erziehung fehlt 16,8% der Frauen und 11,1% sehen sich generell nicht als Mutter. 10,4% der Frauen möchten die Alleinerziehung vermeiden. 8% fühlen sich zu jung und ebenso viele berichten über einen entsprechenden Druck der Eltern. Ihre Arbeitsumstände sehen 5,7% als Problem, fehlende Unterstützung 3,5%, und 3,4% geben an, nicht genügend Zeit für ein Kind zu haben.

Die geographische Verteilung zeigt ein eindeutiges Bild. 2007 gab es auf 100 Geburten 101,2 Abtreibungen im nordöstlichen Landkreis Ida-Virumaa, wo vorwiegend russischstämmige Menschen leben und die wirtschaftliche Situation wenigstens als problematisch bezeichnet werden muß. 82,2 davon wurden auf Wunsch der Frau vorgenommen. Noch 1996, als die soziale Lage komplizierter war, kamen sogar 207,7 Abtreibungen auf 100 Geburten, davon 188,8 auf Wunsch der Frau. Der estnische Durchschnitt beträgt 70,5, davon 56,3 auf eigenen Wunsch. Der Unterschied zwischen Stadt und Land verschwindet, wenn auch die niedrigste Rate mit 28,8 auf der zweitgrößten Insel Hiiumaa verzeichnet wurde.

Nichtsdestotrotz wurden 2007 mit 8.900 so wenig Abtreibungen verzeichnet wie nie vorher seit der Unabhängigkeit. 1992 waren es 25.803 in einem Land mit damals etwa 1,5 Millionen Einwohnern.

Zurück in die Zukunft?
Und es gibt noch eine dritte Gruppe. Frauen, die tatsächlich ins Ausland gezogen sind, dort eine Familie gegründet, sich später aber wieder von ihrem Partner getrennt haben. Je nachdem, an welchem Ort sich die Kinder zu diesem Zeiptunkt befinden, entwickeln sich die Konflikte über das Sorgerecht und den Aufenthaltsort des Kindes wie auch die Rechte des anderen Elternteils, so berichtet die Referentin für internationale Rechtshilfe des Justizministeriums, Marju Kern.

Mitunter eskaliert der Streit so weit, daß ein Kind sogar von einem Elternteil entführt wird. Kern berichtet von dem Fall eines Norwegers, der sein Kind von der in Pärnu lebenden einfach mit in die Heimat nahm. Während die Mutter ihren Ex-Partner der Vergwaltigung, des Kontrollwahns und noch schlimmerer Verbrechen beschuldigte, versuchte der Vater die glücklichen Lebensumstände des Kindes mit einem Video zu beweisen. Darüber berichteten die Medien in der Sendung Pealtnägija. Während sich die norwegischen Behörden hinter ihren Staatsbürger stellten, unterstützten die estnischen die Mutter. Nach Kerns Aussagen hilft der Gang in die Öffentlichkeit überhaupt nicht, denn die Behörden im Ausland interessieren sich nicht für die Darstellung der Medien in Estland.

Wenn ein Kind in ein anderes Land gebracht wird, bevor sich die Eltern über das Sorgerecht geeinigt haben, dann wird per Gericht die Rückführung in das ursprüngliche Aufenthaltsland beschlossen, wo sich das dortige Gericht mit der Frage befaßt. So etwas kann, so Kern, zwei bis vier Jahre dauern. Sie empfiehlt deshalb, vor einem endgültigen Urteil das Kind eben nicht in ein anderes Land zu bringen, denn per Gerichtsbeschluß die Kinder von einem ins andere Land hin und her zu überführen, sei alles andere als eine angenehme Angelegenheit.

Da nach Kern allein die estnische Staatsbürgerschaft des Kindes als Grund nicht ausreicht, daß es künftig in Estland lebt, bedeutet im Klartext, daß juristisch gesehen die Hoffnung einer im Ausland lebenden Estin, nach der Trennung vom Partner mitsamt Kind in die Heimat zurückzukehren eher gering ist. Andererseits, so Kern, verliert im Laufe der Zeit und über Gerichtsprozesse mitunter auch ein Elternteil die Lust daran, diese Prozedur bis zum Ende auszufechten.

Montag, Dezember 01, 2008

Ein Denkmal im Aufbau

kalevkevad, der Norweger aus Stavanger, treibt sich wieder in Tallinn rum, sein Blick fällt diesmal auf die Ausgrabungen am Vabaduse Väljak und auf das entstehende Großdenkmal für den Freiheitskrieg (1918-1920), rechts im Bild.

Der Blick am Unabhängigkeitstag 1992
1992 Vabaduse Väljak

Etwa hinter der estnischen Flagge ist der Standort.

"Zombieherden" jagen zwischenzeitlich durch Estland

Aber nur durchs Internet. Seit der Begriff "Cyber War" auftauchte, ist die Aufmerksamkeit auf alles größer geworden, was so am kriminellen Rand der digitalen Vernetzung stattfindet.
Ein Mittel für Angriffe im Netz ist das Kapern von Servern, um sie dann als Spam-Schleudern zu mißbrauchen, oder den Netzverkehr damit lahm zu legen. Es zeigt sich, dass die estnische Internet-Abwehr zeitweise erfolgreich war.
Letztens nun das:
Als dem allzu Spammer-freundlichen Provider McColo vor zwei Wochen seine Internet-Anbindung gekappt wurde, standen mehrere 100.000 gekaperte PCs plötzlich ohne Mutterschiff da. Die Kommando-Server der Botnet-Betreiber waren offenbar zum großen Teil über McColo angebunden und auf einen Schlag offline. Zwischenzeitlich haben die Srizbi-Hirten ihre Zombie-Herden zumindest teilweise über Estland gesteuert.


so Eric-Cartman bei WinBoard

Hier der Artikel in Computerworld dazu.