Mittwoch, April 30, 2008

Ende April


Tallinn child
Originally uploaded by Jens-Olaf
Seit einer Woche überlege ich, ob ich über den Jahrestag der Unruhen um den Streit über den Bronzenen Soldaten posten soll. Irgendwie ist im Moment der Antrieb weg. Flasher_T meint, es läge an den Examen in den Schulen, an der Polizeipräsenz und anderen Gründen, dass nicht viel vorgefallen ist am Wochenende. Außerdem hat er gelobt, dass sich die Night Watch Aktivisten sich nicht haben provozieren lassen. Das sind die Leute, die für den alten Standort des sowjetischen Denkmals sind und eine kleine Demo abgehalten haben. Wenn dem so ist, gut so.
Flasher hat, wie angekündigt, den Samstag bei einer anderen Veranstaltung verbracht, die weitgehend von den jüngeren Russischsprachigen ausgeübt wird: "A Bang and a Whimper".Das Photo oben stammt aus den frühen 90ern in einer Vorstadt Tallinns. Schwer zu sagen ob das Kind Estnisch oder Russisch spricht.

Samstag, April 26, 2008

Teurer Bronzesoldat?

Ende April 2007 machte Estland Schlagzeilen - für die einen war es "Schändung von Grab- und Gedenkstätten", für andere war es eine dringend notwendige Verlegung eines ungeliebten Symbols ehemaliger Sowjetherrschaft.
Jahrestage verleiten zu Vergleichen - so auch in diesem Fall, der weltweit Schlagzeilen machte.

Ein Beispiel. Der Bronzesoldat kostete Estland 350 Millionen Euro - das schreibt Kaja Koovit von der estnischen Wirtschaftszeitung "Äripäev" (Baltic Business News). Sie bezieht sich dabei auf die Ausgabe des "International Herald Tribune" vom 25.April, die das ausgerechnet haben will. Um 7% sei das Transitgeschäft mit Rohöl gesunken, der Handel mit Kohle gar um die Hälfte (auf jetzt 3,7 Millionen t).
In derselben Zeitung wird auch der estnische Integrationsministerin Urve Palo zitiert - mit einer erstaunlichen Aussage. Die "April-Krise" (ebenfalls eine interessante Formulierung) sei keinesfalls als Zeichen für fehlgeschlagene Integration der russischsprechenden Bevölkerungsteile in Estland zu werten, denn: "1.000 der insgesamt 3.000 Beteiligten waren Esten."

Sonntag, April 20, 2008

Moderne Architektur


Modern Architectures
Originally uploaded by 아침놀
Wie sehen Nichteuropäer Tallinn? Nehmen wir zum Beispiel diesen Koreaner. Er hält die moderne Architektur für bemerkenswert, natürlich neben den Eindrücken der obligatorischen Altstadtbesichtigung. Das ist nur ein flüchtiger Blick auf die Perspektiven anderer. Aber wer den Estlandblog kennt, weiß, dass ab und zu Fotos von Mitgliedern des Fotoprogramms Flickr gepostet werden, die ihre Werke mit Creative Common Lizenzen versehen. Also Danke an 아침놀 in diesem Fall.
Eine wichtige Anmerkung. Länder im Norden mit kleiner Einwohnerzahl haben überproportional viele Touristen. Und die transportieren ein Bild in die Welt, das nicht ganz mit den Lebensumständen der Einheimischen übereinstimmt.
In Estland leben von den etwa 1,4 Millionen Einwohnern mehrere hunderttausend in Apartmentblocks wie Lasnamäe in Tallinn, Annelinn in Tartu und fast alle in Narva. Also nicht überrascht sein, wenn bei der Erstankunft in Estland so etwas ins Auge fällt.
Aber halt, auch von Skandinavien haben wir ähnliche Erwartungen. Der Koreaner sieht es nüchtern, denn in Stockholm ist das seine Nachbarschaft:


Und wenn nächste Woche komische Gestalten durch die Nacht fahren, quer durch die Vorstädte, dann sollte man vorher bei Flasher, dem Blogger aus Tartu, nachlesen. Es gibt eine estnische Unterwelt, die Touristen noch völlig verschlossen ist: Night Game.

Dienstag, April 15, 2008

Droht auch estnischen Banken die Pleite?

Manche Finanzanalysen sagen gegenwärtig voraus, auch Banken in den baltischen Staaten könnten noch wegen schlecht abgesicherter Kredite in Schwierigkeiten kommen.
Baltic Business News (bbn) schrieb am 14.4., 28% der Befragten hätten zugegeben, Schwierigkeiten bei der Rückzahlung ihrer Baukredite zu haben (Quelle: Umfragen von Faktum&Ariko
). Die meisten, die das betrifft, seinen jünger als 34 Jahre alt. Dabei gaben die weiblichen Interviewten ihre Schwierigkeiten offener zu als die Männer.

BBN zitiert Triin Messimas von der SEB-Bank, wonach die Tendenz zu beobachten sei, dass Privatkunden zunächst ihren Baukredit zurückzuzahlen versuchen - und dabei im Falle von Schwierigkeiten die Schulden ihrer Kreditkarte oder von Leasing-Geschäften erstmal auflaufen lassen. Terje Lääts, ein Berater für Kunden mit Rückzahlungproblemen erzählt im gleichen Beitrag, er habe etwa zehn solche Fälle innerhalb von zwei Tagen, meist "normale arbeitende Menschen".

Eine Rolle spielen in dieser Diskussion offenbar auch die sogenannten "SMS-Kredite" - ein Griff zum Mobiltelefon, und schon ist der Kreditvertrag "unterschrieben" (gibts das in Deutschland eigentlich auch?). Die meisten Est/innen sprechen sich für ein Verbot dieser SMS-Kredite aus (20% dagegen). Näheres zum Verfahren dieser "SMS-loans" hier (Network Europe).

"DSL-Tarife" schreibt zu diesem Thema, nicht ohne zu erwähnen, dass in Deutschland ein Kredit als "sittenwidrig gilt, wenn er 91% übersteigt:
"die Zinsbelastung ist enorm: Bereits nach 14 Tagen werden für 100 Euro insgesamt 120 Euro fällig. Nach zwei Monaten hat sich die geforderte Summe bereits verdoppelt. Innerhalb eines Jahres hat sich die Summe mit einer Verzinsung von 11.400 Prozent verhundertfacht."
Und im TAZBLOG war folgendes zu lesen: "Die ursprünglich aus Finnland stammende Firma Ferratum bietet Ihnen einen Blitzkredit von 300 Euro an. Der könne in 10 Minuten gutgeschrieben sein. Innerhalb von 15 Tagen muss zurückbezahlt werden. - zuzüglich einer Gebühr von sage und schreibe 75 Euro. Der Trick: Ferratum nennt es nicht Zinsen sondern 'Bearbeitungsgebühr'."

Also aufgepasst: die nächste SMS von Deiner Bank könnte auch die letzte sein ...

Samstag, April 12, 2008

Ende April - Eine Wiederholung?

Tallinn erlebte letztes Jahr den Höhepunkt der Auseinandersetzung um ein sowjetisches Kriegsdenkmal. Einiges deutet darauf hin, dass sich in diesem April zumindest wieder ein gewisse Spannung aufbaut. Die Gruppe Night Watch plant Aktionen, im Hirve-Park unterhalb des Parlaments wird es eine Veranstaltung geben.

Was ist also das Problem mit der "Befreiung" Estlands durch die Sowjetarmee 1944. Viele Esten empfinden es nicht als Befreiung. Das besagte Monument gilt nun auch vielmehr den Gefallenen der Roten Armee von 1941 bis Kriegsende.
Ein Beispiel aus dieser Zeit: Ein Este schreibt auf Deutsch einen Brief aus Tallinn an seine Verwandten. Er schreibt über die sowjetischen Luftangriffe. Er ist kein Sympathisant der deutschen Besatzung. Es ist sein letzter Brief, er wollte nach Saaremaa gehen, doch seine Spuren verlieren sich dort, als die Front weiter Richtung Westen zieht. Die erste Seite von dreien dokumentiere ich im Original, der gesamte Text:
Estland 1944

Reval, den 18 März 1944

Liebe Eleonore,
Ihr Brief was Sie den 2.III.44 schrieben, haben wir den ?.III. dankend erhalten. Es freut dass Ihr unsre Päckchen erhalte habt. Im Zeitung werdet Ihr wohl gelesen haben, dass der Feind [sowjetische Angriffe] den 9ten und 10ten März von 18.30 bis 3.30 Uhr die Stadt angriff. Die Zeitung schrieb dass ungefähr 300 Flieger sind gewesen. Feuer haben beläuchtete die ganze Stadt. Haus wo wir wohnten ist abgebrannt. Gott sei dank wir kamen beide unbeschädigt aus dem Drümmer hervor.
mitnehmen könnten wir nichts, denn das Haus war augenblicklich in Flammen. War noch Glück, dass wir beide worden Paltor anzogen. Die Arbeitsstelle wo ich arbeite ist noch 1/4 nach, eben arbeite ich wohl noch da. Ich weis noch nicht wie es bleibt, gehn wir nach Oesel [Saaremaa] oder bleiben wir hier. Eben wohnen wir bei Ilves bekannten. Reval Liiva 7-5
Bitte schreiben Sie auf diese Adresse. Wenn wir andersweitig sind, so wird sie den Brief zu uns schicken. Bitte grüssen Sie Werner und all Kinder von mir. Es grüsst Sie Herzlich
Karl


Er schafft es nur bis zur Insel. Andere packen die Koffer fliehen nach Schweden bevor die Sowjetarmee näher rückt. Wer also weiß,was mit Karl Palmberg 1944 geschehen ist, bitte melde sich.
Und diese Briefe poste ich, weil ich weiß, dass diese Familien keine Anhänger des deutschen Weges, der Besatzung waren, im Gegenteil. Karin und Familie fliehen nach Schweden und wandern 1949 nach Kanada aus.

Estland 1944 3. Teil


Montag, April 07, 2008

Filmtipp: goEast Festival in Wiesbaden


Kadri Kõusaar im Interview
Originally uploaded by Jens-Olaf
Der estnische Film Magnus läuft auf dem Festival goEast dieser Woche. Vor einem halben Jahr war das Kinodebut von Kadri Kousaar schon einmal Thema. Ihr Film lief auf diversen Festivals. Und nur hier ist er zu sehen wie jetzt in Wiesbaden. Denn erst Ende April wird entschieden, durch ein Gericht, ob Magnus auch im normalen Kino laufen darf. Und natürlich, ob es je eine DVD geben wird.


Nach einer wahren Geschichte zeigt der erste Film der estnischen Regisseurin Kadri Kõusaar die Suche des jungen Magnus nach einem Halt in einer haltlosen Gesellschaft. Magnus’ Verzweiflung an der Sinnlosigkeit des Daseins führt zu einem Suizidversuch, den er knapp überlebt. Er zieht zu seinem Vater. Der will ihm Lebensfreude vermitteln, aber es fällt ihm nicht mehr ein, als dem Sohn zum gleichen Hedonismus zu raten, den er selbst genießt


Caligari, 12.04.2008, 17:30
Kino DFM, 12.04.2008, 22:30
Alpha, 14.04.2008, 16:00

Update:
Der Film hat beim Febiofestival 2008 in Prag den Hauptpreis gewonnen.
Hier die Webseite Febiofest mit aktuellen Fotos der Filmemacherin.
Meinungen zum Festival und das Ergebnis der Jury, hier.

Update 16.04.2008
Magnus wurde in Wiesbaden als bester Film ausgezeichnet:
Wiesbaden (ddp-hes). Das Werk «Magnus» von Kadri Kousaar hat beim Wiesbadener «goEast-Festival» die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung als bester Film erhalten. Die estnisch-britische Koproduktion sei «die außergewöhnliche Darstellung existenzieller Fragen» eines jungen Menschen auf der Suche nach Halt, urteilte die internationale Fachjury am Dienstag. Koussars Beitrag erhalte darüber hinaus den Preis der Internationalen Filmkritik

Sonntag, April 06, 2008

Wo ist zu Hause?


Tallinn Korea
Originally uploaded by Jens-Olaf
Koreaner in Estland. Koreaner in Kasachstan. Warum? Die Antwort ist einfach, aber keiner weiß warum. Das ist "normal", jedenfalls, wenn es die Geschichte der Sowjetunion betrifft. In den USA läuft der erste (!) Dokumentarfilm über das Schicksal der Koreaner in Russland.
Giustino und Peteris Cedrins haben letztens gestritten, ob die Deportationen in Estland 1941 gegen die Nation Estland oder gegen die Esten als Ethnie gerichtet waren. Bei den Koreanern liegt die Sache einfacher. Darüber zu streiten wäre rein akademischer Natur. Sie wurden einfach deportiert, bereits 1937, und zwar alle. Vom äußersten Osten der SU bis nach Kasachstan. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Obwohl viele Koreaner ihr Land wegen der japanischen Besetzung verlassen hatten, dachte Stalin, sie könnten japanische Spione sein, möglicherweise Landesverräter. Die Überlebenden der Deportationen leben heute überwiegend in Kasachstan, aber einige haben in den Jahrzehnten den Weg nach Estland gefunden.
Oben im Foto ein Fernseher im Restaurant Ariran in der Telliskivi in Tallinn, wo gerade ein südkoreanischer Fersehkanal übertragen wird.
Der Film "Unreliable Koreans" läuft in den USA bald auch an der Harvard University. Die Webseite zum Film hat jetzt einen 10 minütigen Trailer, den ich wirklich zum Ansehen empfehle.
Die erste Seite hat zwei Fotos, unten findet sich der weiterführende Link.

Dienstag, April 01, 2008

Dieter Thomas wirbt bei Kerner

Der König der deutschen Schlagerparade tritt heute bei Kerner im ZDF auf - oder sollte ich sagen der "Altmeister"? Dieter Thomas Heck wird heute abend für seine "neuen Projekte" in Tallinn werben, das melden die Agenturen.
Wir empfehlen dazu: Schauen Sie mal in einer der alten Ausgaben der Zeitschrift "INFOBALT.DE - Infoblatt baltische Staaten", Ausgabe 1 aus dem Jahr 2002, nach. Dann können Sie ja immer noch gern vergleichen, was an den Heckschen Aktionen "neu" ist, oder ob es nur medial wieder aufgewärmt wird.

Link zum Archiv der Zeitschrift

Link zum Beitrag (PDF-Datei)

Pressemeldung von heute (DDP / Yahoo)