Mittwoch, Juli 11, 2007

Estnische Straßencafes, deutsches Sommerloch

Was könnten Intellektuelle in diesem Sommer wohl machen, um das berühmte Sommerloch auszusitzen? Eine derartige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hat sich wohl auch SPIEGEL ONLINE überlegt und setzte Henryk M. Broder in ein estnisches Straßencafe.

Nein, keine Sorge, Herr Broder berichtet ganz gewöhnliche Dinge, wie sie auch jeder deutsche Tourist berichten könnte. Nur setzt er sich eben nicht einfach mit irgendwelchen Esten an einen Tisch, es muss schon der Vorsitzende des estnischen Schriftstellerverbandes sein. Immerhin wurden die Namen der drei Straßenmusiker/innen recherchiert, die in der Nähe des Verrlustierungsortes ihre Kunst zum besten gaben.

Keine Unruhen, nicht einmal ethnische Konflikte konnten beobachtet werden. Nein, eigentlich beschreibt Broder ganz einfach das, was vor den Augen in den Altstadtgassen vorbeizieht, und was von seinem Schriftstellerkollegen parliert an seinen Ohren ankommt. Eine schöne Nebentätigkeit eigentlich. Mit welchem Billigflieger Broder in Tallinn einschwebte, wie lange er sich aufhielt, und aus welcher Stadt er demnächst etwas zur Feder bringen wird, wurde leider nicht mit überliefert.
Immerhin: Wenn es denn als leichte Urlauberkost gemeint war, so wird es dementsprechend kein weiteres großes Aufsehen erregen. Vielleicht steht, eingeritzt an einen der Stühle am Domplatz, nur klein und unscheinbar: "Henryk was here".

Bericht Spiegel Online
5 Fotos vom Domplatz (inklusive dasjenige oben) - soweit reichte der Wirkungskreis an diesem Nachmittag. Kommt jetzt der Wettbewerb: deutsche Touris, schickt uns eure Urlaubsfotos aus Estland?

P.S.: Nebeneffekt des Beitrags ist immerhin, etwas über die Vorurteile von Mati Sirkel gegenüber "westlichen Medien" zu erfahren. Er meint, "alle" hätten den Esten die Schuld an den Unruhen um die Versetzung des Bronzesoldaten gegeben. Welche Fremdsprachen Sirkel beherrscht, und wo er entsprechende Vorwürfe gelesen haben will, bleibt ungenannt. Ich setze dagegen: zumindest die deutschen Pressereaktionen waren insgesamt ausgesprochen verständnisvoll gegenüber Estland. Und inzwischen fehlt in fast keinem Presseorgan eine Bemerkung zu der estnischen Sichtweise der Dinge plus dem Verständnis, nicht einfach "post-sowjetisch" sondern "zwischenzweitlich sowjetisch besetzt gewesen" zu sein. Was kann sich Estland noch besseres wünschen?

1 Kommentar:

  1. Hallo Herr Broder, ich komme auch mal bei Ihnen in Tallinn an den Kaffeetisch!

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